Es war eine ebenso merkwürdige als bedauerliche Thatsache, daß bis vor kurzem von keinem der drei großen Künstler des vorigen Jahrhunderts, denen unsere Stadt ihre hervorragendsten Bauwerke verdankt, von Pöppelmann, Bähr und Chiaveri, ein Bildniß bekannt war. Erst in diesem Jahre ist ein Miniaturporträt Pöppelmanns ermittelt und durch die Freundlichkeit unseres Vereinsmitgliedes Herrn Benno Roux dem Stadtmuseum zugeführt worden. Auch von dem Schöpfer der berühmtesten Dresdner Stadtansichten, von Canaletto, hatten wir kein Bildniß, bis sein Biograph Julius Meyer in seinem Künstlerlexikon 1885 darauf aufmerksam machte, daß der Künstler auf seinem großen Gemälde von der Wahl des polnischen Königs Stanislaus I. August, das zur gräflich Raczynskischen Sammlung in der Königl. Nationalgalerie zu Berlin gehört, auf der rechten Seite unter vielen Porträts auch sich selbst, in rother Kleidung, dargestellt hat. Durch freundliche Vermittelung der Direktion der Nationalgalerie sind wir in den Besitz einer Photographie von diesem Bildnisse gelangt. Wir geben davon hier eine verkleinerte Nachbildung, wie sie auch das Titelblatt der soeben erschienenen zweiten Auflage der „Canaletto-Mappe“ ziert.
In den „Tagzetteln“ zur Dresdner Kämmereirechnung vom Jahre 1560 findet sich folgende Aufzeichnung des Stadtschreibers:
„Johan under der Linde hat umb lenge der meylen zcwuschen zcweyen stedten in Denemarck umb 10 fg. (fehlt: gewettet). Hat der balbirer seyn wette mit sechs zceugen erweist. Johannes wil aber zcwuschen dato und fastnacht das kegenspil erweysen, das ime nachgelassen.“
Das heißt: Der Apotheker Johann unter der Linden (der Begründer der Löwenapotheke) ist mit dem Barbier in Meinungsverschiedenheit über die Entfernung zwischen zwei gewissen Städten in Dänemark gerathen und hat mit ihm deshalb um die für jene Zeit nicht unbedeutende Summe von 10 Guldengroschen gewettet; der Barbier hat durch sechs Zeugen vor dem Rathe die Richtigkeit seiner Behauptung dargethan, aber der Apotheker will das Gegentheil beweisen und erhält dazu von Ende Oktober bis zur nächsten Fastnacht Frist zugestanden.
Die amtliche Beurkundung dieser Wette durch die Stadt- und Gerichtsbehörde beweist, daß man sie als ernsthaften Vertrag behandelte und ihr Rechtsverbindlichkeit beilegte. Dies entsprach dem römischen Rechte und auch den Bestimmungen der meisten mittelalterlichen deutschen Einzelrechte, nur daß diese in der Regel forderten, daß die Wette bedächtlich geschlossen sei und keinen unehrbaren Gegenstand betreffe. Aber gerade im Geltungsbereiche des Magdeburgischen Rechts, zu dem Dresden gehörte, waren die Wetten im Mittelalter überhaupt nicht klagbar. (Vergl. den Schöffenspruch aus der Dresdner Weichbildrechts-Handschrift bei Wasserschleben, Sammlung deutscher Rechtsquellen I, 237: „Das wetthen und toppilspeyl und desgleich ist unczemelich, und was man domete dirkriget, das ist ungerecht gewyn, do geyt keyn recht obir.) Der vorliegende Fall zeigt also, daß hierin unter dem Einflusse des römischen Rechts im 16. Jahrhundert eine Wandlung eingetreten war. Die Klagbarkeit der Wetten ist dann in Sachsen bestehen geblieben, bis sie durch § 1480 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wieder aufgehoben wurde.
Der Dresdner Advokat Friedr. Aug. Fritzsche ließ im Jahre 1789 bei Carl Christian Meinhold ein Buch erscheinen betitelt „Der Rechtsgelehrte als Mensch“, dessen § 1 mit folgenden Worten beginnt:
„Alles, was athmet, will jetzt studiren. Das Kind an der Hand der Mutter, der Junge in der Dorfschule, hinter dem Pflug, in der Werkstatt, sogar der Handwerksgesell noch, alle wollen studiren; nicht etwa Heilkunde, oder Mathematik, oder Kriegskunst, oder Gottesgelahrtheit, nein: die Rechte wollen sie einstimmig studiren. Mancher Knabe ist einige Jahre im Chor gewesen, ist nach und nach durch verschiedene Klassen gerückt, hat etwas Griechisch und Lateinisch, sammt Zubehör, begriffen: „und der kann doch unmöglich bloß deswegen, weil er arm ist, ein Handwerk lernen!“ Dies sagt und hört man sehr oft. „Gott! der Jüngling hat doch so schöne Kenntnisse!“ sagt ein Mitleidiger. Wo folgt denn, daß derjenige, der einige Vorkenntnisse von Sprachen und einigen andern Wissenschaften besitzt, studiren müsse? Ist denn dieser junge Mensch deswegen von Gott verlassen, wenn er nicht studiren kann? Besteht denn das Merkmal der Vorsorge Gottes bloß darinnen, daß er jedem Armen, der einige Fähigkeit hat, zum Studiren Gelegenheit geben muß? Bedarf denn der Staat nicht auch aufgeklärte Handwerker? Will man diesem Stand nur solche Männer überlassen, welche sich oft vom Thier durch nichts als durch den Körper unterscheiden? Sind denn Handwerke entehrende Beschäftigungen? Wie mancher Bürger erwirbt sich Ruhm und Achtung bei einem ganzen Bezirk, wenn er Geschicklichkeit zeigt?....“
- Bergmann, Karl, Direktor der Landständischen Bank.
- Biehn, Walter, stellvertr. Direktor der Landständischen Bank.
- Grimm, H. W. O., Intendantur- und Baurath.
- Häbler, Otto, Rathsassessor.
- Heinze, F. Th., Gerichtsaktuar a. D.
- Kretzschmar, P. H., Dr. jur., Stadtschreiber.
- von Mangoldt, H. G., Generalmajor z. D.
- Schramm, Christian, Architekt.
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/175&oldid=- (Version vom 25.6.2024)