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Zeit jeden äußeren Aufschwung den Landesfürsten, in ihrer Fürsorge erreichte es seine höchste Blüthe unter August dem Starken. In unserm Jahrhundert ist auch hier das Bürgerthum mündig geworden und hat die Leitung seiner Geschicke selbst in die Hand genommen. Oberbürgermeister Stübels Amtsführung bezeichnet die Blüthe unserer Stadt in der Zeit der bürgerlichen Selbständigkeit. Zwar an Prachtgebäuden kann das neue Dresden mit dem jenes kunstsinnigen Fürsten sich nicht entfernt messen, aber die neuzeitlichen Leistungen sind nicht minder großartig in anderen, mit der Schönheit zugleich der Wohlfahrt dienenden Schöpfungen: Kirchen-, Schul- und Brückenbauten, Straßen-, Schleußen-, Wasserleitungs- und Beleuchtungsanlagen, öffentlichen Gärten, Krankenhäusern, Versorgungsanstalten und sonstigen nutzbringenden Einrichtungen aller Art. Daß unsere Stadt solche Einrichtungen, wie sie ihr Anwachsen zur Großstadt forderte, rechtzeitig erhielt, das verdankt sie ihrem weitschauenden und rastlos thatkräftigen Oberbürgermeister, dem auch seine Erholungsreisen dazu dienen mußten, im In- und Auslande stets neue Erfahrungen und Anregungen zu sammeln.

Aber Stübels Bedeutung liegt nicht auf dem Gebiete der Verwaltung allein. Er hat durch sein Beispiel auch auf den Geist der Bürgerschaft Einfluß geübt. Seine Liebe zu Vaterland und Heimath, seine unabhängige Gesinnung, seine Selbstlosigkeit und sein Wohlthätigkeitssinn haben ihn zu einem Vorbild bürgerlicher Tugend gemacht, das auch nach seinem Tode noch segensreich fortwirken wird. Dabei war er ein feiner Kenner und eifriger Förderer der Künste und widmete den Erscheinungen des wissenschaftlichen Lebens eine verständnißvolle Antheilnahme. Diese seltene Vereinigung eines hochentwickelten Sinnes für die allgemeinen Interessen unseres Kulturlebens mit praktischer Tüchtigkeit und männlicher Charakterfestigkeit verlieh seinem inneren Wesen eine wahrhaft achtunggebietende Vornehmheit, die durch seine hohe Gestalt und die ungemeine Würde seines äußeren Auftretens nur noch gehoben ward.

So ist Stübel für unsere Stadt in jedem Betracht eine hervorragende geschichtliche Persönlichkeit. Unsere Geschichtschreibung wird ihm um so freudiger gerecht werden, als er sich ihr jederzeit als warmer Freund gezeigt hat. Auf dem Grunde seiner Begeisterung für die Kunstwerke unserer Vorzeit war in ihm die Werthschätzung der geschichtlichen Studien erwachsen, deren ideale und praktische Bedeutung er wie wenige zu würdigen wußte. Niemand hat die Bestrebungen unsers Vereins so erfolgreich gefördert, wie er es durch die Errichtung der Stadtbibliothek und des Stadtmuseums gethan hat, Anstalten, durch die das Interesse an der geschichtlichen Entwickelung unserer Stadt in weite Kreise der Einwohnerschaft getragen worden ist. Unserm Vereine hat er sich überdies als freundlicher Gönner erwiesen, indem er ihm in den Räumen der städtischen Sammlungen gastliche Aufnahme gewährte. Der Verein hat ihm dafür seine Dankbarkeit kundzugeben versucht, als er im Jahre 1892 die Veröffentlichung der „Dresdner Straßenansichten vom Jahre 1678“, die Nachbildung des großen Kupferwerkes seines Amtsvorfahren Tzschimmer, ihm zueignete. Heute kann er dem edlen Manne nur noch das Gelöbniß eines dankbaren Gedenkens in die Ewigkeit nachrufen.


Ein Brief D. Peter Eyssenbergs
an den Bischof Johann VIII. von Meißen.
Mitgetheilt von Prof. Dr. Georg Müller.

Als ein Gruß des scheidenden Mittelalters an das in eine neue Zeit eintretende Dresden ist ein Brief D. Peter Eyssenbergs im ersten Hefte dieser Zeitschrift (S. 12 ff.) abgedruckt worden. Mit diesem Schreiben verabschiedete sich der letzte römisch-katholische Pfarrer an der hiesigen Kreuzkirche vom Dresdner Rathe, um sich nach dem der alten Kirche erhalten gebliebenen Domstift Bautzen zu begeben. Ueber die vorhergegangenen Verhandlungen und die Stellung, die Peter Eyssenberg während derselben einnahm, sind wir nur mangelhaft unterrichtet. Eine Zeit lang scheint er sich nachgiebig gezeigt zu haben. Erzählte doch Luther in Wittenberg, der Dresdner Pfarrer bessere sich und gebe vor, er habe viel thun müssen wider seinen Willen, dazu gezwungen, nun aber wolle er dem Evangelium folgen und dasselbe predigen, auf daß er im Amte bleiben möchte. Schließlich blieb Eyssenberg der alten Kirche treu. Aufschluß über seine verzweifelte Stimmung in den entscheidenden Tagen gewährt uns folgender Brief, der am 2. Juni 1539 an den Bischof Johann VIII. von Meißen geschrieben und durch das von Herzog Heinrich erlassene Verbot der Fronleichnamsprozession am Donnerstag nach Trinitatis veranlaßt ist; der Bischof schickte das Schreiben an Herzog Heinrich, der das erlassene Verbot der Prozession aufrecht erhielt, weil sie mit dem Worte Gottes in Widerspruch stehe. Wenn Eyssenberg in dem Schreiben klagt, die Leute seien frech und kegelten ihn wohl gar schon in der Kirche an, er dürfe schier nicht über die Gasse gehen und sei von allen Menschen verlassen, so sind dies nur neue und nicht anzuzweifelnde Beweise für die Thatsache, daß die Dresdner Bevölkerung bei Einführung der Reformation der alten Lehre bereits feindselig gegenüberstand.

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 182. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/193&oldid=- (Version vom 16.4.2024)