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Die Schicksale der Dresdner Gemäldegalerie
während des siebenjährigen Krieges.
Von Oberregierungsrath Dr. W. von Seidlitz.


Mit dem Ankauf der hundert Bilder aus Modena im Jahre 1745 begann das unvergleichliche Aufblühen der Dresdner Galerie. Gleich im folgenden Jahre 1746 wurde die auf solche Weise beträchtlich vergrößerte Sammlung in dem eigens für sie neu hergerichteten Stallgebäude (dem jetzigen Museum Johanneum) aufgestellt und unmittelbar darauf (von 1747 an) mit den noch jetzt bewunderten Bilderrahmen in Rokokoformen versehen. Jahr auf Jahr folgten sich fortan die neuen Erwerbungen, bis 1754 die Einverleibung der Sixtinischen Madonna diesen Bemühungen die Krone aufsetzte. Alles, was in Europa an Gemälden frei wurde, strömte in Dresden zusammen, dessen Galerie damals bereits gegen 1500 Gemälde umfaßte. Da bereitete der Ausbruch des siebenjährigen Krieges dieser regen Wirksamkeit ein plötzliches Ende.

Einer der beiden damaligen Inspektoren der Gemäldegalerie, Johann Anton Riedel, ein junger Mann von erst 24 Jahren, dem die Erhaltung der Sammlung während der nun folgenden langen Kriegsjahre allein zu verdanken ist, hat die Hauptereignisse dieser bewegten gefahrvollen Zeit in einem knapp gehaltenen Tagebuche, welches im Archiv der Generaldirektion der Königl. Sammlungen (Cap. VIIa Nr. 1a) bewahrt wird, verzeichnet. Das Wesentliche hieraus soll im Folgenden mitgetheilt werden. Zur Ergänzung für die Zeit von 1760 ab aber wird die im gleichen Archiv aufbewahrte „Correspondenz die Königl. Bilder-Gallerie und deren Transportirung auf die Vestung Königstein betr. 1760 bis 1763 im Kriege“ (Cap. VII Nr. 5) mit herangezogen werden[1].

Im August 1756 bei Einbruch der Preußen am 29., berichtet Riedel, wurde die Magdalena von Correggio, die bis dahin in den Gemächern des Königs gehangen, an ihn, den Inspektor, abgegeben, damit er sie zu der Königin hinüberbringe. Am 7. September wurden die Schlüssel der Galerie versiegelt an die Königin übergeben, die in Dresden verblieben war, während der König sich in das Lager bei Pirna begeben hatte. Wenn Offiziere der preußischen Garnison, bemerkt Riedel, die Galerie besehen wollten, mußte solches der Königin gemeldet werden, an die die Schlüssel nach erfolgter Besichtigung wieder abgegeben wurden. Am 23. November besuchte der König von Preußen nebst den Prinzen Wilhelm, Heinrich und Ferdinand, begleitet von seiner ganzen Generalität, die Galerie. Am 22. Dezember kam er in derselben Begleitung wieder hin „und hat sich die Copie von der Magdalena von Pompeo Battoni ausgebeten – jedoch ohne den Todtenkopf – so von Hrn. Hofmaler Dietrich copirt werden sollte“. Das Original wurde in das Schloß geschafft, wo Dietrich die Kopie in dem kleinen Audienzzimmer ausführte. „Und nach Vollendung dieser Kopie sind der Oberhofmeister Baron von Westenberg von Ihro Maj. der Königin an (den) König von Preußen gesendet (worden), und ich habe, schreibt Riedel, selbes Bild überbringen müssen in das Hauptquartier in das Gräfl. Brühlsche Palais.“

Am 20. Januar 1757 besuchte der König von Preußen nebst dem Fürstbischof von Breslau, Grafen Schaffgotsch, sowie dem Marquis d’Argens und dem übrigen Gefolge wiederum die Galerie. Bei dieser Gelegenheit wird er den Plan gefaßt haben, den Inspektor Oesterreich nach Potsdam zu ziehen und mit der Verwaltung seiner eignen Galerie zu betrauen; denn am 30. Januar erhielt dieser seine verlangte Entlassung aus dem sächsischen Dienste, wie Riedel berichtet. – Nach dem am 17. März erfolgten Hinscheiden der Königin nahm der Kurprinz sowohl die Schlüssel zur Galerie sowie die Correggiosche Magdalena an sich. – Als im März dieses Jahres bei Gelegenheit der Verlegung des preußischen Magazins in das Holländische (Japanische) Palais das große Bild von Silvestre, die Zusammenkunft in Neuhaus – noch auf Befehl der Königin – aus dem unteren Stockwerk in die erste Etage gebracht wurde, wo der sogenannte Vorrath der Gemälde aufbewahrt wurde, machte man bei Eröffnung des „langen Ganges“ (wohl der Galerie an der Elbseite) die Entdeckung, daß dort eingebrochen worden sei: von den zusammengeschlagenen Brettern, die den Raum abschlossen, waren einige herausgenommen worden. Doch fehlten nur zwei Affen und zwei Papageien unter den dort aufbewahrten Porzellan-Thieren und -Vögeln; die Bilder waren zu Boden geworfen und durcheinander gewühlt worden.

Am 26. August 1758 mußte Riedel auf Befehl des Kurprinzen den im Japanischen Palais aufbewahrten „Vorrath“ in größter Eile auf Wagen laden und in das neue Palais drei Treppen hoch schaffen lassen, da


  1. Johann Anton Riedel, geboren 1733 in Prag, kam als sechsjähriger Junge nach Dresden, als sein Vater, Johann Gottfried Riedel, als Hofmaler dorthin berufen wurde. Der alte Riedel erhielt drei Jahre darauf (1742) die Stelle eines Inspektors der Gemäldegalerie, die er bis zu seinem zu Ende 1755 erfolgten Tode verwaltete. Der junge Riedel, der ihm schon im Jahre 1753, also in einem Alter von erst 20 Jahren, als Unterinspektor beigeordnet worden war – der zweite Unterinspektor war damals Matthias Oesterreich – rückte 1755 in die durch den Tod des Vaters frei gewordene Inspektorstelle ein und blieb endlich, nachdem Oesterreich im Jahre 1757 als Galeriedirektor nach Potsdam berufen worden war, alleiniger Inspektor der Galerie (einen Direktor gab es, seitdem Le Plat im Jahre 1742 gestorben war, an dieser Sammlung nicht) bis in unser Jahrhundert hinein.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 184. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/195&oldid=- (Version vom 23.4.2024)