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I. Jahrgang          1892          Nr. 2.


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Das Dresdner Landwehrbataillon 1813/14
von
Oberlehrer Dr. Paul Rachel.


Die verhängnißvollste Zeit, die unser Dresden seit der furchtbaren Beschießung durch Friedrich den Großen im Jahre 1760 hat durchmachen müssen, ist ohne Zweifel das Jahr 1813 gewesen.

Kaum hatte man die entsetzlichen Nachrichten vom Untergange eines großen Theiles des sächsischen Heeres im Feldzuge 1812 erhalten, so mußte man auf Kriegsunruhen bei und in der Stadt gefaßt sein. Im Februar und März wurde die Stadt in Vertheidigungszustand gesetzt, die Brücke gesprengt; Ende März zogen sich die Franzosen zurück, und an ihre Stelle kamen Preußen und Russen. Nach deren Rückzuge im Anfange Mai wurde die Stadt bis gegen Ende August der Mittelpunkt aller kriegerischen Bewegungen Napoleons. Dann kamen die Schrecknisse der Dresdner Schlacht, und bis zum 7. Oktober die ständige Besorgniß, daß, solange der Kaiser anwesend, neue Kampfesscenen möglich seien. Nach seinem Abzuge konnte die Stadt nur kurze Zeit aufathmen, denn sehr bald rückten Truppen der Verbündeten in die Nähe, um dem französischen Marschall Gouvion St. Cyr den wichtigen Platz zu entreißen. Erst am 17. November wurde er übergeben, und nun zogen in die ausgehungerte, verseuchte Stadt, deren Bewohner von den Kriegs- und besonders Einquartierungslasten ganz erdrückt schienen, die Befreier vom französischen Joche. Von den 365 Tagen des Jahres 1813 war Dresden nur 98 in den Händen der Verbündeten (26. März bis 8. Mai; 17. November bis 31. Dezember); in der übrigen Zeit mußte sich Alles den Befehlen Napoleons oder seiner Marschälle fügen. An der rühmlichen Erhebung anderer deutscher Landstriche und Städte hat also unsere Stadt – selbst wenn die allgemeinen politischen Zustände des Landes klarere gewesen wären – nur wenig Gelegenheit gehabt theilzunehmen. In den 43 Tagen des Frühlings haben sich auf die Aufrufe der Preußen und Russen hin zwar manche jüngere Einwohner zu den Lützowern und anderen Freiwilligen gemeldet; zu einer einheitlichen, allgemeineren Erhebung zu Gunsten des Befreiungsgedankens ist es aber leider nicht gekommen. Während der eigentlichen großen Entscheidungskämpfe (23. August bis 19. Oktober) war die Bewohnerschaft Dresdens eher auf den Schutz hingewiesen, den ihr Napoleon gegen Angriffe der Verbündeten gewähren konnte, als daß man an einen Anschluß an die Verbündeten hätte denken können.

Erst nach der Befreiung von französischen Truppen konnten die Dresdner zeigen, ob sie vaterländischen Sinn hatten. Freilich lagen nun die materiellen Verhältnisse viel ungünstiger als vorher. Als im Oktober 1813 die gewaltigen Schlachten um Leipzig geschlagen waren, der Feind bis auf Torgau und Dresden das sächsische Land verlassen hatte, wurde es offenbar, wie furchtbar das unglückliche Königreich unter den Kriegsunruhen gelitten hatte. Der durch die Verbündeten eingerichteten Verwaltung des Landes, die nicht dem Freiherrn von Stein selbst, sondern dem russischen Fürsten Repnin übertragen wurde, fiel daher vor allem die Pflicht zu, helfend und unterstützend einzugreifen.

Repnin – eigentlich ein Fürst Wolkonski, der nach Familienvereinbarung den Namen seines mütterlichen Großvaters Repnin angenommen – hatte Deutschland


Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/23&oldid=- (Version vom 11.4.2024)