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und die Deutschen als russischer Gesandter in Kassel kennen lernen; bei Austerlitz und im Kampfe des Jahres 1812 hatte er militärische Tüchtigkeit gezeigt. Er war nicht ohne Urtheil, bewies guten Willen und Verständniß für die Sachsen; wenn er persönlich zu Prunk und Pracht neigte, so hing das mit seinen heimischen Sitten zusammen. Er ging, unterstützt durch etliche tüchtige Männer, wie von Oppell, von Miltitz, von Carlowitz, von Vieth, an eine Wiederherstellung der zerrütteten Verhältnisse Sachsens.

Die Unterstützung der vermögenden Landeseinwohner, des übrigen Deutschlands und des Auslands wurde angerufen, um zunächst einmal der Noth der Landleute, die in der Lausitz und der jetzigen Provinz Sachsen zu Tage trat, nur einigermaßen entgegenzuwirken. Aus Sachsen und Deutschland kamen an 19 299 Thaler zusammen; von den 100 000 Lstr., die das englische Parlament damals für Deutschland bestimmte, kamen in Sachsen durch eine Hilfs- und Wiederherstellungskommission 31 600 Lstr. zur Vertheilung. Der Kredit des Landes wurde dadurch gehoben, daß nach Verhandlung des Gouvernements mit Leipziger Kaufleuten eine Gesellschaft von Bankiers die Assekuranz der damals umlaufenden Kassenbillets übernahm. Ein Central-Hilfsausschuß für Unterbringung und Erziehung der Tausende von verwaisten Kindern hatte Gelegenheit, reichen Segen zu stiften. Ihm flossen auch Gelder aus des gefangenen Königs Friedrich August Kasse zu.

Wie gewaltig Bevölkerungszahl und Wohlstand unserer Stadt damals zu leiden gehabt haben, dafür nur einige Zahlenangaben. (Taggesell, Tagebuch eines Dresdner Bürgers S. 226 und 227.) 1812 hatte es in Dresden 1996 Taufen und 1779 bürgerliche Beerdigungen gegeben; 1813 fanden nur 1660 Taufen, dafür aber 5552 bürgerliche und 21 090 militärische Beerdigungen statt. Die Bevölkerung sank von 51 694 (1812) auf 46 175 (1813) herab; vorübergehend hatten aber die Bürger während des ganzen Jahres 1813 7 376 947 Mann zu verquartieren! Abgesehen von diesen offenbaren Kriegsnöthen war für die Verhältnisse der Bürgerschaft das während und nach der Belagerung der Stadt wüthende Nervenfieber von nachhaltigster und nachtheiligster Wirkung.

Trotz aller Bedrängnisse des Landes hat es sich nun das Generalgouvernement zur besonderen Aufgabe gemacht, dessen Streitkräfte zu organisieren. Noch waren zahlreiche Franzosen auf dem rechtsrheinischen Gebiete des alten deutschen Reiches, noch war das linke Rheinufer in den Händen Napoleons. Es war möglich, daß sich ein sehr langer und zäher Kampf entwickelte. Was Sachsen durch die zaudernde Politik seines Königs nicht freiwillig geleistet hatte, das sollte nun nach unerhörten Kriegsdrangsalen auf Befehl einer fremden Verwaltung aufgebracht werden.

Von Seiten der Centralverwaltung und des Generalgouvernements wurde es ja wohl auch in dem Sinne aufgefaßt: die Sachsen sollen zeigen, ob sie mit Achtung genannt werden können, ob sie ein selbständiges Volk zu sein verdienen. Es schien, als sollte das, was sie nun leisteten, auf ihr zukünftiges politisches Schicksal von Einfluß sein.

Durch welches Mittel suchte man nun auf einen gewissen Aufschwung der politischen Gesinnung, auf Opferwilligkeit hinzuwirken? Oeffentlichkeit des ganzen Vorganges, Heranziehung der tüchtigsten Männer war wohl das wichtigste. Dabei mußte die Presse von großer Unterstützung sein.

Wer die „Dresdner Anzeigen“ und die dazu erscheinenden „Beiträge zur Belehrung und Unterhaltung“ vom Jahre 1813 durchblättert, ist erstaunt über die Harmlosigkeit des Inhaltes. Das war gewiß zum Theil die Folge der französischen Gewaltherrschaft, zum großen Theil aber auch einer gewissen politischen Gleichgiltigkeit. Am 27. August 1813 enthält das Zeitungsblatt nur Anzeigen, am 30. August eine umständliche Schilderung von den Greueln, die – nicht etwa die Schlacht bei Dresden – sondern ein Erdbeben zu Caracas in Venezuela angerichtet hat. In den Beiträgen zur Belehrung und Unterhaltung sind unter dem 25. und 30. August 1813 „Merkwürdige Beispiele von Thieren, die das Gedächtniß derselben beweisen, besonders von einer wunderbar begabten Katze“, dann Bruchstücke einer sächsischen Kunstgeschichte und einer Reisebeschreibung in die Schweiz abgedruckt. 12 Monate später enthalten diese Blätter die Lebensbeschreibung Hermanns des Cheruskers, Aufsätze über die Politik Napoleons, über Lord Wellington u. ähnl.

Ein ganz bedeutender Fortschritt liegt im Jahre 1813 bereits in der Herausgabe des „Generalgouvernementsblattes“, das alle wichtigen Verordnungen und Vorfälle vom 28. Oktober an, erst von Leipzig, dann von Dresden aus, brachte. In ihm findet man auch alle die für die Entfaltung der sächsischen Wehrkraft getroffenen Maßregeln abgedruckt.

Ein anderes publicistisches Werk, damals in Sachsen ziemlich einzig in seiner Art, von allen Anhängern des Gouvernements und der Volkserhebung wärmstens empfohlen, von allen den Sachsen, für die die Freiheit des Wettinerfürsten und die politische Erhaltung des Einzelstaates das wichtigste war, scheel angesehen, sind die sogenannten „Dresdner Landwehrblätter“. Die erste Nummer erschien am 6. Dezember 1813, die fünfzehnte und letzte für die Zeit vom 11. bis 25. Juni 1814. Man machte sich im voraus für 16 Groschen zur Abnahme von 12 Bogen verbindlich; das einzelne Blatt kostete 1 Groschen

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/24&oldid=- (Version vom 11.4.2024)