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es ihr Herzensbedürfniß, zu beten und Gott all’ ihre Bedrängniß vorzutragen. Auch achtet sie auf jedes günstige Zeichen, das auf solch ein Gebet aus dem, was um sie herum vorgeht, genommen werden könnte. So freut sie sich innig, als nach einem heißen Gebete für ihre Eltern sich ein schöner Abend auf die geliebte Vaterstadt herabsenkt. Bedrängen sie körperlich und seelisch allzuviel Bekümmernisse, dann nimmt sie sich vor, jeden Tag nach dem Aufstehen einen schönen Morgensegen zu lesen, und thut dies auch einige Zeit.

Besonderen Trost aber gab ihr der Besuch der Kirche. Außer an uns geläufigen Sonn- und Festtagen konnte sie damals noch an manchem mittlerweile abgeschafften Feiertage zum Gottesdienste gehen. Noch ist solcher an den dritten Feiertagen der großen Feste; ebenso werden der Johannis- und der Michaelistag, sowie Mariä Verkündigung (8. September) kirchlich gefeiert, dagegen ist der 31. Oktober noch nicht zum Feiertag erhoben. Von den Kirchen der Stadt besucht sie die Kreuz-, Frauen- und Hofkirche ganz selten, häufiger die Garnisonkirche[1], am allermeisten jedoch geht sie – allein oder mit Mutter und Schwester – in die französischen und deutschen Predigten Riquets[2]. Während sie 1808 und 1809 nur in dankbaren Worten über seine zu Herzen gehenden Predigten schreibt, in denen er ganz nach Art der rationalistischen Theologen jener Zeit namentlich einzelne Tugenden und deren Werth für den Menschen bespricht, werden ihre Aeußerungen 1810 immer wärmer, begeisterter. Sie verehrt in ihm das Ideal eines guten, reinen, warmherzigen Menschen. Sie beneidet das Glück, das seine Gattin neben ihm, und die Erziehung, die sein Söhnchen durch ihn genießt. Nur das unfreundlichste und kälteste Wetter kann sie an einem Feiertage, an dem er predigt, vom Kirchgange abhalten.

Wie sehr mußte es sie daher schmerzen, als sie im Jahre 1810 vernahm, daß Riquet einen Ruf an die Stettiner reformirte Kirche angenommen habe. Fleißiger noch, als schon vorher, besuchte sie seine Predigten und nahm auch herzlich theil an den Geschicken der Reformirten in Sachsen, die damals zu mehr Berufen als bisher zugelassen wurden. Bis dahin hätten sie nur Kaufmann, Doktor oder Banquier werden können, wie Riquet im November 1810 in der ersten Bußtagspredigt, die in der reformirten Gemeinde überhaupt gehalten worden ist, sagt: nun könnten sie durch des Königs Gnade auch zu anderen Aemtern und Stellungen gelangen[3].

Zu Johanni 1811 schließen die Tagebuchnotizen mit den bittersten Klagen, daß ihr, der Schreiberin, durch den Weggang des verehrten Predigers ein wahrer Herzensfreund geraubt sei.

Von ihr, die uns in zahlreichen kürzeren und längeren Niederschriften ein Bild bescheidenen Dresdner Familienlebens im Anfange dieses Jahrhunderts gegeben, sei nur noch kurz erwähnt, daß sie nach glücklicher Vereinigung ihrer Schwester mit dem Vetter und nach des Vaters Tode lange im Anschluß an die neugegründete Familie gelebt hat. 1826 hat sie sich selbst verheirathet, ist aber schon 1832 nach der Geburt einer Tochter gestorben. Eine Enkeltochter und drei Urenkelchen blicken noch gern nach einem schönen, stattlichen Oelgemälde, auf dem Professor Pochmann[4] von der Dresdner Kunstakademie sie in der Tracht einer Königin Luise dargestellt hat.

In seinem noch vorhandenen Tagebuche hat aber ihr Schwager, der spätere Kämmerer und Stadtrath Rachel, ihren Tod mit dem Ausdruck lebhaftesten Schmerzes und innigsten Dankes für all’ die Liebe vermerkt, die die Dahingeschiedene ihm und seiner Familie einst erwiesen.


Aus Julius Schnorrs Tagebüchern.
IV

1853.

Juni.
19) Sonntag... Gruner ist aus London mit den von ihm für unsere Galerie erstandenen spanischen Bildern [aus der Sammlung Louis Philipps] angekommen. Ich finde ihn unerwartet heute Abend als meinen Nachbarn im Theater, woselbst zur Feier der Vermählung unsers Prinzen „Titus“ von Mozart aufgeführt wird. Es ist ein Théâtre paré und die Einladungen gehen von den Majestäten durch den Oberhofmarschall aus...Das Theater ist um 10  Uhr zu Ende, und ich mache dann noch einen Besuch im Atelier, woselbst die Schüler noch arbeiten und ich das Transparent bei Lichte sehen kann.

20) Montag... Aufstellung der Transparents ... Der Altmarkt und namentlich die große Triumphpforte vor dem Rathhause sind brillant. Unser Bild nimmt sich sehr gut aus und findet Anerkennung. Die Beleuchtung desselben könnte viel besser sein...


  1. Es sei daran erinnert, daß der Gottesdienst für die Soldaten lange Zeit im zweiten Stock der einst auf dem Neumarkte stehenden Hauptwache abgehalten worden ist. Nachdem dies durch Canalettos Stiche und Bilder wohlbekannte Gebäude 1760 eingeschossen worden war, wurde der Garnisonsgottesdienst in einem Saale des Hauptzeughauses, und zwar im zweiten Stock, abgehalten; also ganz nahe dem Hause Schießgasse Nr. 1. Hasche II, S. 220.
  2. Siehe über ihn: Girardet, Kurze Geschichte der evangelisch- reformirten Gemeinde zu Dresden 1839. S. 40–41.
  3. Im Cod. Aug. III, 1. p. 17 steht das Mandat.
  4. 1790 geboren.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 229. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/240&oldid=- (Version vom 26.4.2024)