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wurde nach seinem 1811 erfolgten Tode einzeln veräußert, da wegen unmündiger Kinder der Nachlaß bald geregelt werden mußte.

Durch Louise Seidler blieb Goethe später noch mehrfach mit Dresden in Verbindung. So unterzog er sich u. a. wie er ja jede Gelegenheit zum Wohlthun ergriff – des Verkaufs von Bildern des hier in dürftigen Verhältnissen lebenden Genremalers Kersting, sowie von Handarbeiten einer armen Wittwe, von der die Seidler ihm erzählt hatte. Für die Folgezeit wichtig wurde, daß Louise Seidler bei Goethe einer- und dem Vorsitzenden des Sächsischen Kunstvereins hier, Herrn von Quandt, andererseits den Anschluß des Großherzogthums Sachsen an diesen Verein vermittelte. Dies gab später Anlaß zu lebhaftem Schriftenwechsel zwischen Goethe und dem Kunstverein. Merkwürdigerweise blieben diese Briefe von Goethe in den Kunstvereinsakten ganz unbeachtet, noch zu einer Zeit, wo schon allenthalben nach Goethe’s Briefen herumgespäht wurde. Erst ein bei Luzern lebender Schriftsteller, Hermann Uhde, zog sie ans Licht. Zwar war ihm zuerst auf seine Anfrage erklärt worden, daß Briefe von Goethe in den Vereinsakten nicht vorhanden seien, da er aber seiner Sache gewiß war, in dem er bei Bearbeitung des Nachlasses der Louise Seidler zweifellose Beweise für die Correspondenz mit Goethe gewonnen hatte, so erbat er sich die Akten des Kunstvereins zur eigenen Durchsicht; sie wurden ihm bereitwillig zugeschickt und da fand er vierundzwanzig Briefe Goethe’s. Das Uebersehen des Geschäftsführers des Vereins würde unbegreiflich sein, wenn man es sich nicht daraus erklären könnte, daß jener nach Briefen von Goethe’s eigener Hand gesucht hat, während Goethe fast alle Briefe seit etwa 1780 zu diktiren gewohnt war. Uhde hat die gefundenen Briefe an den Kunstverein, deren letzter vier Wochen vor Goethe’s Tod geschrieben ist, in Lützow’s „Zeitschrift für bildende Kunst“ bekannt gemacht; einen fünfundzwanzigsten, den ein früherer Beamter des Kunstvereins für seine Handschriftensammlung an sich genommen hatte, habe ich später in die Hände bekommen und ebenfalls veröffentlicht.

Außer auf der Galerie, bei den Antiken und den Gypsabgüssen, sowie in Privatsammlungen suchte Goethe 1810 die Kunst auch bei Künstlern auf. Er besuchte die Maler Friedrich, Hartmann, Hammer und Kügelgen. Der eigenartige Landschaftsmaler Friedrich, 1774 in Greifswald geboren, seit 1798 in Dresden, war Goethen dadurch näher getreten, daß er 1805 und späterhin die von Goethe eingerichteten und mit Liebe gehegten Weimarischen Kunstausstellungen beschickte, dabei auch einen Preis erhalten hatte. — Hartmann, gleichfalls 1774 geboren, aus Stuttgart, war seit 1807 Professor und wurde 1823 Direktor der hiesigen Kunstakademie. Auch er hatte, schon 1799 und 1800, bei den Weimarischen Kunstausstellungen sich betheiligt und war ebenfalls, wenn auch nicht mit dem ganzen Preise ausgezeichnet worden; denn an seinen Arbeiten war in den veröffentlichten Beurtheilungen der Ausstellungen seitens der Weimarischen Kunstfreunde manches auszusetzen gewesen. Er hatte Goethe 1801 in Weimar besucht, der darauf äußerte: „In Absicht auf Kunstgesinnung ist er auf dem rechten Felde, nur nicht immer auf dem rechten Wege.“ Später sprach sich Hartmann öffentlich geringschätzig über die Goetheschen Kunstausstellungen aus, wobei er nach dem seinerseits dabei erfahrenen Tadel nicht unbefangen gehandelt haben mag. Goethe ließ es ihn aber 1810 nicht entgelten und war freundlich gegen ihn. Die Weimarischen Kunstausstellungen hatten damals schon aufgehört. — Den 1779 in Dresden geborenen Maler Hammer kannte Goethe von Karlsbad her; er führte 1807 Aquarelle für Goethe nach dessen Skizzen aus.

Mit Kügelgen, 1772 in Bacharach geboren, verkehrte Goethe mehrmals. Vom Dezember 1808 bis in den Februar 1809 hielt sich Kügelgen in Weimar auf und malte Ende 1808 Goethe nicht nur — er war damals neben Graff der geschätzteste Bildnißmaler Deutschlands — sondern bossirte auch seine Büste in Wachs; jetzt 1810 ließ Goethe sich wieder von ihm malen für seinen Freund Dr. Fritz Schlosser in Frankfurt a. M.; in dessen Besitzthum Stift Neuburg bei Heidelberg befindet sich dies Bildniß noch gegenwärtig. — Noch ein Dresdner Maler hat Goethe gemalt, aber nicht hier, sondern in Weimar 1809; es war dies der aus Baden stammende Kaaz, mit dem Goethe 1808 in Karlsbad und 1809 in Weimar, wo er sein häufiger Tischgast war, oft zusammen kam. Er starb 1810 kurz vor Goethe’s Hierherkunft. Graff hat Goethe nicht gemalt und das von Barth gestochene Bildniß, das der Unterschrift zufolge nach Graff hergestellt sein soll, beruht auf Fälschung; es ist nach dem Gemälde des bayrischen Hofmalers Stieler gestochen.

Goethe bewegte sich 1810 auch in den höheren gesellschaftlichen Kreisen Dresdens. Er hatte u. a. fast bei allen hiesigen Gesandten, die er wohl sämmtlich schon persönlich kannte, Besuche gemacht: bei dem österreichischen Fürst Paul Esterhazy, den russischen Basil Kanikoff, dem französischen Jean François Baron Bourgoing, dem preußischen Heinrich Ludwig von Buchholz, dem bayerischen Christian Hubert von Pfeffel, dem westfälischen Christian Konrad Wilhelm von Dohm, dem großherzoglichen frankfurtischen Hugo Franz Graf Hatzfeld. Demzufolge war er fast täglich zu Tisch oder zu Abend eingeladen: vom Prinzen Bernhard, wiederholt vom Fürsten Esterhazy, von Kanikoff, vom General von Thielmann, von der Baronin von Grotthuß, von Liliensterns, Kügelgens, Körners. In der Abendgesellschaft bei Körners sah Goethe den Geheimen Finanzrath von

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/45&oldid=- (Version vom 28.3.2024)