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verschiedener Thiere besichtigen und vergleichen zu können. Er schrieb darauf nach wiederholter Besprechung mit Titius im Jahre 1810 in Karlsbad und in Dresden einen „Versuch über die Gestalt der Thiere“, den er zwar nicht gleich veröffentlicht hat, der aber später in die erst nach seinem Tode erschienene Schrift „Erster Entwurf einer allgemeinen Einleitung in die vergleichende Anatomie, ausgehend von der Astrologie“ aufgenommen ist. Darin gedenkt Goethe dankbar der vom Vorsteher des Dresdner Naturalienkabinets erfahrenen Unterstützung.

Jm Jahre 1794 kam Goethe in Begleitung seines Herzogs von Dessau nach Dresden. Ueber diesen vom 3. bis 11. August währenden Aufenthalt ist wenig bekannt. Goethe traf hier mit dem Hofrath Heinrich Meyer, dem Direktor der herzoglichen Zeichenschule zu Weimar, einem Schweizer von Geburt, zusammen. Goethe hatte ihn in Rom, wo er sich zum Maler ausbildete, kennen und schätzen gelernt und ihn nach Weimar gezogen. Er war allgemein bekannt als der „Kunscht-Meyer“; man gab ihm Schuld, daß er in seinen Kunsturtheilen zu großes Gewicht auf nüchterne Korrektheit legte und zu fest am Herkömmlichen hielt, auch Goethe in dieser Richtung beeinflußte. Mit ihm brachte Goethe nun im August 1794 in Dresden seine Zeit meistens zu und äußerte nachher, er habe auf der Galerie sich etwas Rechtes zugute gethan.

Auch bei diesem Aufenthalte unterließ Goethe nicht, seine naturwissenschaftlichen Forschungen zu fördern und zwar diesmal botanisch. Kurz zuvor hatte Goethe in der Schrift „Versuch, die Metamorphose der Pflanzen zu erklären“ abermals ein Naturgesetz enthüllt, das auch wiederum von den Gelehrten der Zunft als müssiger Einfall behandelt wurde, aber gegenwärtig als Grundlage der Pflanzenphysiologie feststeht. Es scheint damals eben so schwer geworden zu sein, ein neu aufgefundenes Naturgesetz zu begreifen, als es zu entdecken. In Dresden nun ließ Goethe sich 1794 vom Hofgärtner Seidel im Orangeriegarten einige Pflanzen vorzeigen, die ihm für seine Lehre von der Pflanzenmetamorphose von Bedeutung erschienen, und er war überrascht, als ihm Seidel merken ließ, daß er verstehe, worauf Goethe hinauswolle.

Wie 1790 fügte es sich, daß Goethe 1794 gleichfalls die persönliche Bekanntschaft eines Hannoveraners machte, der ihm nach seinen Schriften nicht fremd war, und zwar die des Oberappellationsrath von Ramdohr. Sein dreibändiges Werk „Ueber Malerei und Bildhauerei in Rom“ erschien, als Goethe sich in Rom aufhielt, wo er es auch las, es aber wegen seiner Oberflächlichkeit verurtheilte.

Nachdem eine 1805 beabsichtigte Reise Goethe’s nach Dresden nicht zur Ausführung gekommen war, fand er sich erst 1810 am 16. September wieder hier ein und blieb bis zum 25. des Monats. Er wohnte damals im „Goldenen Engel“, wo auch Schiller gewohnt hat. Von Goethe’s diesmaligem Aufenthalt sind wir besser unterrichtet.

Gleich am ersten Morgen begab er sich auf die Gemäldegalerie. Hier war gerade Louise Seidler, Tochter des Universitätsstallmeisters zu Jena, die sich in Dresden zur Malerin ausbildete, mit Copiren der heiligen Cäcilie von Carlo Dolce beschäftigt, als der Jenaer Buchhändler Frommann die Nachricht brachte, Goethe sei da. Es war ein Theil der zu jener Zeit in Dresden befindlichen Weimar–Jenaischen Colonie – nach Goethe’s Ausdruck – auf der Galerie versammelt, worunter außer der Seidler und Frommann noch dessen Schwägerin Betty Wesselhöft, eine geborene Hamburgerin und eine Malgenossin der Seidler, dann der Naturforscher Dr. Seebeck und endlich die Hofräthin Schopenhauer zu verstehen waren. Die Letztgenannte, die Mutter des Philosophen Arthur Schopenhauer, hatte sich nach Weimar gewandt und machte dort ein großes Haus; ihre geistig belebten Gesellschaftsabende sind berühmt. Ueberdies lebten 1810 in Dresden der in der sächsischen Armee dienende zweite Sohn des Herzogs Karl August, Prinz Bernhard von Weimar, mit seinem Begleiter Major August Rühle von Lilienstern, dem nachmaligen preußischen General, der auch seine junge Frau, geborene von Frankenberg-Ludwigsdorf, vorher Frau von Schwedhof, mit hier hatte, die anscheinend die Honneurs für den Prinzen machte; ferner gehörte zu den Weimaranern der Hauptmann, spätere Oberst Verlohren, weimarischer Geschäftsträger.

Als Goethe also auf der Galerie den Saal betrat, in dem die Weimar-Jenaischen beisammenstanden, flogen ihm die Damen entgegen; Louise Seidler nur zog sich schüchtern in eine Fenstervertiefung zurück. Goethe erblickte dann aber ihre Copie, frug nach dem Maler dieser allerliebsten Arbeit und sah sich hierauf nach der ihm Genannten um. Er begrüßte sie nun freundlich und äußerte seine Freude über ihr, ihm bisher unbekanntes Talent. Er erkundigte sich dann nach ihrer Wohnung und flüsterte ihr zu, sie möge sich am Nachmittage bereit halten, er werde sie zu einer Spazierfahrt abholen. Das geschah an den folgenden Tagen mehrmals, indem er in Dr. Seebeck’s Gesellschaft Ausflüge in Dresdens Umgebung unternahm. Außerdem verschaffte er der Seidler Gelegenheit, hiesige Privatgemäldesammlungen zu sehen, namentlich die des zweiten Inspektors des Grünen Gewölbes August Pechwell, deren schöne Gemälde Goethe ausdrücklich rühmt; eine dazu gehörige Landschaft von Potter ließ sich Goethe durch Hammer in Aquarell copiren. Der 1757 in Dresden geborene Pechwell war selbst Maler; seine Gemäldesammlung

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/44&oldid=- (Version vom 28.3.2024)