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Merkwürdige Häuser.

II.
Altmarkt Nr. 10 (Marienapotheke)
.

Der erste Dresdner Apotheker, der uns dem Namen nach bekannt ist, war Magister Thonias Rotholz, am Taschenberge wohnhaft. Er wird in Urkunden seit dem Jahre 1440 erwähnt. Durch Privilegium vom 12. Juni 1467 ertheilte dann der Rath dem Johannes Huffener das alleinige Recht, eine Apotheke in der Stadt zu halten, und befreite ihn zugleich von allen städtischen Lasten. Dieser Apotheker Huffener brachte es bald zu einer angesehenen Stellung, ward 1471 Rathsmitglied und später auch Bürgermeister. In den Akten ist uns die vollständige Reihe seiner Nachfolger bis auf die neueste Zeit überliefert, da jeder sich das Privilegium der Apotheke neu bestätigen lassen mußte.

Die Apotheke befand sich, wie die alten Geschoßregister ausweisen, ursprünglich auf der Südseite des Marktes zunächst der Schreibergasse, wahrscheinlich in dem jetzigen Rennerschen Hause Nr. 12. Aber schon in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts scheint sie auf die Ostseite verlegt worden zu sein, wo sie sich noch befindet. Bis fast zur Mitte des 17. Jahrhunderts heißt sie stets nur die „alte Apotheke“, erst in einem Schreiben vom Jahre 1645 bezeichnet sich der damalige Besitzer Zacharias Peißker als „Apotheker zur Marien“. Er hatte sie 1645 von „Marien, Caspar Peißkers gewesenen Apothekers Wittwen“ gekauft und vielleicht dieser zu Ehren so benannt. Der Name „Marienapotheke“ bürgerte sich erst allmählich ein; noch 1695 heißt sie in amtlichen Schreiben nur die „so genannte Marienapotheke“.

Als Aushängeschild diente der Apotheke ein aus dem 15. Jahrhundert stammendes, vortrefflich in Holz geschnitztes Marienbild, das der Besitzer Dr. Sartorius im Jahre 1841 dem Museum des Sächs. Alterthumsvereins schenkte. Dieses Bildwerk ist unbedingt älter als die Apotheke und wurde vielleicht am Hause schon vorgefunden, denn es war eine alte Sitte, Marienbilder an den Häusern aufzustellen. Keinesfalls aber wäre schon im Mittelalter ein Geschäftshaus nach der Mutter Gottes benannt worden.

Das Haus galt immer als eins der ältesten in der Stadt. Offenbar hat es sich sehr lange in der Gestalt erhalten, wie es wahrscheinlich nach dem großen Stadtbrande von 1491 erbaut worden war. Eine deutliche Abbildung davon giebt das Tzschimmersche Kupferwerk von 1678 (Vereins-Veröffentlichung Tafel E, Nr. 36). Es hatte ein Erdgeschoß und zwei Obergeschosse mit fünf Fenstern in der Breite. Das mittlere Dachfenster war zu einem sechseckigen Thürmchen ausgebaut, dessen Spitze bis an die Dachfirsten hinaufreichte. Die ganze breite Wandfläche über dem spitzbogigen Portale bis zum Dache hinauf nahmen zwei über einander stehende Gemälde ein, die in sehr großen bunten Figuren die Schöpfung und die Erlösung darstellten. Es ist dies der einzige uns bekannte Fall, daß an dem Aeußeren eines Bürgerhauses in Dresden große Wandgemälde, wie sie sich in süddeutschen Städten so häufig finden, angebracht waren; hier sind solche sonst nur an Prachtbauten, insbesondere dem Schlosse und dem Stallgebäude, ausgeführt gewesen. Diese Wandgemälde wurden bereits im Jahre 1722 bei einem Umbaue des Apothekerhauses ausgelöscht. In seiner veränderten Gestalt ist es auf den Canalettoschen Bildern des Altmarktes vom Jahre 1752 zu sehen: im ersten Obergeschoß ist ein Erker, im zweiten ein sechstes Fenster angebracht, an die Stelle des thurmartigen Dachaufbaues ist ein verziertes großes Dachfenster getreten. Bei der Beschießung von 1760 war die Apotheke dem Untergange sehr nahe; aber während die Nachbarhäuser zu beiden Seiten abbrannten, wurde sie, wenn auch stark beschädigt, doch vor völliger Zerstörung bewahrt. Bis auf unsere Zeit hatte sich von den alten Bautheilen zuletzt nur das gothische Portal gerettet, aber auch dieses ist bei dem vor zwei Jahren erfolgten Umbaue weggenommen und einstweilen im Zoologischen Garten untergebracht worden.

Was hat es denn nun aber für eine Bewandtniß mit der selbst in unsere neueren Chroniken übernommenen Sage, daß das Grundstück in alter Zeit ein Kloster gewesen sei? Nun, so viel liegt doch auf der Hand, daß schon der Raum dazu nicht entfernt ausgereicht hätte, denn selbst das bescheidenste Kloster konnte neben Wirthschafts- und Wohnräumen ein eigenes Kirchlein und ein Gärtchen für die Mönche oder Nonnen schlechterdings nicht entbehren. Bei der großen Bedeutung, die ein Kloster im Leben einer mittelalterlichen Kleinstadt einnahm, müßte es doch greifbarere Spuren hinterlassen haben, als die bloße Sage von seiner Existenz. In der That, es haben in Dresden stets nur die bekannten zwei Klöster, das Barfüßerkloster am Ausgange der Brüdergassen und das Augustinerkloster an der jetzigen Klostergasse in der Neustadt, bestanden und von einem dritten Kloster am Altmarkte kann nicht die Rede sein.

Und dennoch ist jene Sage nicht ohne jeden geschichtlichen Hintergrund, nur darf man sie nicht an die Marienapotheke selbst, sondern an das dazu gehörige Hinterhaus Nr. 10 in der großen Kirchgasse anknüpfen. Dieses nur 5 Fenster breite Häuschen nämlich ist einige Zeit eine sogenannte Terminei des Dominikanerklosters in Pirna gewesen.

Die Klöster der Bettelorden besaßen häufig in den Nachbarstädten ein Haus zum vorübergehenden Wohnsitze

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/57&oldid=- (Version vom 21.4.2024)