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Samson Faber von Enge (Engis?) ausm Niederland, beide Teppichmacher“.

Nach alledem steht es fest, daß die in den Verzeichnissen aufgeführten „neuen“ Passionsteppiche unter Kurfürst Moritz durch die genannten Niederländer um das Jahr 1550 in Dresden, und zwar zum Gebrauche in der Schloßkapelle, angefertigt worden sind. Was aber die „alte Passion“ anlangt, so wird man vielleicht nicht fehlgehen, wenn man annimmt, daß diese Stücke durch Herzog Georg den Bärtigen, der als Gubernator von Friesland in lebhaften Beziehungen zu den Niederlanden stand, von dort mitgebracht oder bezogen worden sind. Bei anderen „fünfzehn Stück alte Tapezerei“ findet sich im Inventarium von 1565 ausdrücklich die Bemerkung: „kommen von Herzog Georgen zu Sachsen her“; ebenso werden wohl auch jene alten Passionsteppiche aus seiner Zeit stammen.

Es liegt nun nicht der geringste Grund vor, daran zu zweifeln, daß die in der Königlichen Gemäldegalerie aufbewahrten sechs „altniederländischen“ Teppiche, die nachweislich von der Schloßverwaltung dorthin abgegeben worden sind, zu denjenigen gehören, welche im 16. und 17. Jahrhundert im Tapezereigewölbe des kurfürstlichen Schlosses vorhanden waren. Dazu stimmt es sehr gut, daß sie, sowohl dem Charakter des Entwurfs als der Größe nach, von zwei verschiedenen Gruppen herrühren, von denen beiden die Darstellung der Himmelfahrt erhalten ist. Es liegt nahe zu vermuthen, daß die zwei kleineren Stücke zu der „alten Passion“, die vier größeren und schöneren zu der „neuen Passion“ gehören. Von den ersteren konnte schon ihres höheren Alters wegen die größere Zahl dem Verderben anheimfallen. Vor allem aber muß man annehmen, daß Kurfürst Moritz, der sich die Berufung niederländischer Teppichwirker schweres Geld kosten ließ, von ihnen etwas Bedeutenderes und Prächtigeres verlangt haben wird, als was ihm bereits von seinen Vorfahren überkommen war.

Von den Künstlern freilich, die die Patronen zu den Teppichen gemalt haben, findet sich keine Spur. Da der Stil des Entwurfs entschieden auf die Niederlande hinweist, so ist es wahrscheinlich, daß die Teppichmacher die Patronen zu den neueren Stücken aus ihrer Heimat mitgebracht haben.

Dr. O. Richter. 


Der hölzerne Esel

Vor der Hauptwache auf dem Neumarkte stand ehemals ein eigenthümlicher Pranger, der „Esel“ genannt. Es war ein hohes vierbeiniges Gestell, das einen Eselskopf trug und dessen Rücken die Form eines spitz zulaufenden Daches hatte. Auf den beiden Canalettoschen Gemälden, die den Neumarkt mit der Frauenkirche und der davor stehenden Hauptwache darstellen, ist dieses Strafinstrument zu sehen. Es war in erster Linie für die Soldaten der Garnison bestimmt, die wegen geringer Vergehen halbe Tage lang auf der sehr scharfen Kante sitzen mußten; wahrscheinlich stammte es aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges, wo die Zügellosigkeit der Soldatesca besonders wirksame Disciplinarmittel erforderte. Bald fand man den „Esel“ aber auch für allerhand anderes Volk brauchbar, und es ward Sitte, daß die Herrschaften ihre Bedienten, wenn sie etwas begangen hatten, darauf setzen ließen; jedoch mußten diese rückwärts sitzen, während die Soldaten die Auszeichnung genossen, nach vorn gewendet zu reiten. Frauenzimmer und Kinder wurden nur an den „Esel“ angebunden.

Bereits im Jahre 1659, als die Sicherheit auf den Straßen und in den Wirthshäusern viel zu wünschen übrig ließ, setzte ein kurfürstlicher Erlaß für die Urheber von Zank und Schlägerei in schwereren, aber noch nicht mit Verwundungen verbundenen Fällen die Strafe des „Esels“ mit nachfolgender Wallarbeit fest. Als im l8. Jahrhundert die Gassenjugend übermäßigen Lärm zu verüben sich gewöhnt hatte, machte der Gouverneur 1718 bekannt, er werde die lärmenden Jungen künftig wegfangen und an den „Esel“ binden lassen. Im Jahre 1724 mußte eine liederliche Weibsperson, die einen Soldaten zur Desertion verleitet hatte und mit ihm durchgegangen war, zwei Stunden am „Esel“ stehen, wobei sie einen Strohkranz auf dem Kopfe und einen strohernen Mann mit Soldatenuniform in den Armen trug; mit diesem Strohbräutigam mußte sie auch dem Soldaten beim Spießruthenlaufen vorangehen. Am 20. Januar 1725, also mitten im Winter, wurde ein Bauer, der in der vorhergegangenen Karnevalsnacht wegen Unfugs eingesperrt worden war, in seinem blauen Bauerhabit und spitzen weißen Hut zum Vergnügen des zahlreich versammelten Volks zwei Stunden lang auf den Esel gesetzt.

Auch die Neustädter Hauptwache hatte ihren „Esel“; dort wurde er nach Erbauung des Blockhauses am 20. April 1736 beseitigt, während er in Altstadt erst mit der Zerstörung der Hauptwache bei der Beschießung im Juli 1760 verschwand. An beiden Stellen übrigens stand außer dem „Esel“ noch ein Schandpfahl und ein Galgen. Am Pfahle mußten Unteroffiziere und in Neustadt auch adelige Kadetten, die etwas verbrochen hatten, in bloßen Füßen stehen; am Galgen sah man nicht selten, besonders in den Kriegszeiten unter August dem Starken, rückfällige Deserteure baumeln. Da an der Frauenkirche bis 1715 auch noch das „Narrenhäuschen“

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/72&oldid=- (Version vom 15.4.2024)