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nicht deren Geschlechtsnamen, sondern deren Vornamen; er ordnet also alphabetisch erst alle Väter mit dem Vornamen Andreas, dann folgt eine uneheliche Mutter mit dem Vornamen Anna und so geht es fort durch alle die Balthasare, Michaele und Tobiasse bis hinaus zu denen, die sich Urban, Valentin, Wolfgang und Zacharias nennen. Nach diesem Register dürfte das Auffinden eines Täuflings ziemlich langwierig gewesen sein. Mehrfach bemerkt man überdies in den Kirchenbüchern der Annenkirche – bis heute 89 Bände – wie der jeweilige Küster den trockenen Blättern allerlei Notizen über örtliche Vorkommnisse anvertraut, die, wenn sie sonst keinen Werth hätten, doch höchst kurzweilig zu lesen sind. Himmelszeichen und Unglücksfälle werden besprochen, lüderliche Weibspersonen kritisirt, und wer seine Küstergebühr nicht richtig bezahlt, erhält im Kirchenbuch seine Lection. Bemerkenswerth ist, daß die Kirchenbücher der Annenkirche die Schrecken des siebenjährigen Krieges ungefährdet bestanden haben.

Im Jahre 1725 ward die Friedrichstadt von der Annenkirche abgetrennt und führte nun ihre eigenen Kirchenbücher. Wir übergehen Kirchenbücher von geringerem Werth, wie z. B. die Taufbücher des Stadtkrankenhauses, die bis zum Anfang dieses Jahrhunderts zurückreichen, sowie die Kirchenbücher aller der in letzter Zeit neuerrichteten Parochien und der nicht zur Landeskirche gehörigen kirchlichen Gemeinschaften, namentlich der römischen und der reformirten Kirche, um schließlich noch eines Kirchenbuches zu gedenken, welches außerhalb der parochialen Kirchenbücher steht und von ganz besonderer Bedeutung ist, des Kirchenbuchs der evangelischen Hofkirche. Was von diesem Kirchenbuch erhalten ist, geht leider nur bis 1660 zurück, und auch das ist in seinen ältesten Theilen, die von den Händen der Hofprediger selbst geschrieben sind, nicht ohne Mängel. Wie die Frauenkirche, ohne Parochialkirche zu sein, doch seit 1747 Trauregister aufzuweisen hat, sonst aber nichts, so weist die Hofkapelle, beziehentlich Hofkirche, gleichfalls gewisse Register auf, obwohl auch sie den Charakter einer Parochialkirche entbehrte. Sie besitzt Tauf-, Trau- und Kommunikantenregister, aber keine Todtenbücher, die sie auch heute nicht führt. Eingetragen sind alle die Handlungen, welche die zum Hof in Beziehung stehenden Personen von der Hofgeistlichkeit vollzogen haben wollten. Ein Zwang herrschte nicht. Die Taufen und Trauungen in dem sächsischen Herrscherhause sind überdies nicht mit gebucht, lediglich die Kommunionen. Doch finden sich natürlich in diesen unscheinbaren und nicht zahlreichen Bänden viele berühmte Namen; wir erinnern nur an Zinzendorf und Theodor Körner. Die Taufeinträge beider sind nach verschiedenen Seiten hin von Interesse. Unter den Pathen Zinzendorfs findet sich Philipp Jacob Spener – nicht mit, wodurch die in fast allen Büchern stehende Angabe, als ob der Vater des Pietismus den Stifter der Brüdergemeine aus der Taufe gehoben habe, hinfällig und widerlegt wird. Bei Theodor Körner lesen wir zu unserem Staunen, daß er am 30. September 1791 geboren sei, wo doch aus Vater Körners Papieren unwiderleglich zu erweisen ist, daß der Dichter eine Woche früher, am 23., das Licht der Welt erblickt hat, ein Beweis, daß auch Kirchenbücher oder wenigstens der Mann, der dort die Feder führte, nicht unfehlbar sind.

Ordnen wir die älteren Dresdner Kirchenbücher, von denen wir Kenntniß haben, nach dem Alter, so ergiebt sich folgende Reihe:

1550 Kreuzkirche, Taufbuch und Traubuch, von 1550 bis 1760 nicht mehr vorhanden.
1560 Dreikönigskirche, Taufbuch, Lücke von 1572 bis 1577.
1570 Dreikönigskirche, Todtenbuch.
1579 Kreuzkirche, Todtenbuch, von 1579 bis 1760 nicht mehr vorhanden.
1580 Dreikönigskirche, Traubuch.
1604 17. Dezember Annenkirche, Taufbuch.
1605 Annenkirche, Traubuch.
1626 Annenkirche, Todtenbuch.
1660 Hofkirche, Taufbuch, Traubuch, Kommunionbuch.
1725 Matthäikirche, Taufbuch, Traubuch, Todtenbuch.
1747 Frauenkirche, Traubuch.

Der Werth dieser Kirchenbücher für die Geschichte der Kultur und Sitte, des kirchlichen und socialen Lebens, sowie für die Kenntniß der Einzelfamilien läßt sich nicht in wenigen Zeilen beschreiben; er ist unschätzbar. Vielleicht greifen wir später einmal aus den Hunderten dieser alten Bände einige interessante Gegenstände heraus, um sie den Lesern der Geschichtsblätter als Beweis vorzuführen, daß Kirchenbücher durchaus nicht so reizlos sind, wie sie aussehen, sondern in ihrer Weise die Ortsgeschichte prächtig erläutern. Für heute genügt es uns, auf die Schätze, die Dresden in seinen alten Kirchenbüchern birgt, aufmerksam gemacht zu haben.

Pastor Franz Blanckmeister. 



Thierhetzen auf dem Altmarkte.
(Hierzu eine Abbildung.)


Seit den Tagen des Kurfürsten August hat unter den Vergnügungen des sächsischen Hofes die Jagd eine der hervorragendsten Rollen gespielt. Der von ihm erbaute und später erweiterte Jägerhof in Dresden-Neustadt, dessen letzte stattliche Reste dem Verkehrs- und Verschönerungsbedürfniß der Großstadt nun bald zum

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/78&oldid=- (Version vom 10.4.2024)