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Opfer fallen werden, war von einem zahlreichen Jagdpersonal bewohnt, Ställe und Schuppen mit Hunden aller Art und mannigfaltigem Jagdzeug gefüllt. Aber man begnügte sich nicht, draußen in Feld und Wald auf das Wild zu pürschen, man verlegte den Schauplatz des Jagdvergnügens auch in die Stadt herein. So hatte schon Kurfürst August einen Löwenzwinger am Altstädter Brückenthore und eine Bahn für Thierhetzen im Jägerhofe herstellen lassen. Unter seinen Nachfolgern nahm die Veranstaltung solcher Thierkämpfe einen immer größeren Maßstab an und sie wurden deshalb häufig und noch unter August dem Starken im großen Schloßhofe und selbst auf dem Altmarkte abgehalten.

Namentlich war Kurfürst Johann Georg I. ein gewaltiger Nimrod. Er hat in den 40 Jahren von 1611 bis 1650 nahezu 2000 Jagden, darunter 992 Hirsch- , 423 Sau-, 340 Fuchs-, 77 Wolfs- und 35 Bären-Jagden abgehalten und dabei nicht weniger als 101 603 Stück Wild (darunter nicht einen einzigen Vogel) gefangen, geschossen und gehetzt. Diese Ergebnisse seiner Jagden hat er genau aufzeichnen und in einem jetzt in der Königl. öffentlichen Bibliothek aufbewahrten prächtigen Album (Handschrift R. 7b) zusammenstellen lassen, das mit zierlichen, in Deckfarben auf Pergament ausgeführten Bildern von der Hand Daniel Bretschneiders ausgestattet ist.

Unter diesen Bildern befindet sich auch die Darstellung einer Thierhetze, die aus Anlaß der Anwesenheit des Kaisers Matthias, des Königs Ferdinand von Böhmen und des Erzherzogs Maximilian am 7. August 1617 auf dem Altmarkte stattfand. Das Bildchen, von dem wir eine nur wenig verkleinerte Nachbildung diesem Blatte beifügen, ist jetzt für uns besonders wichtig als die älteste uns erhaltene Ansicht des hervorragendsten Stadttheils, des Altmarktes, von der Westseite aus aufgenommen.[1]

Auf unserm Bilde stellt sich links das Rathhaus mit einer davor angebrachten Zuschauerbühne und anschließenden Bretterverschlägen dar; auf der die Mitte des Bildes einnehmenden Ostseite des Marktes ist besonders auf das Gasthaus zum goldnen Löwen an der Ecke der Frohngasse und auf die mit einem großen Wandgemälde geschmückte Marienapotheke aufmerksam zu machen; die südliche Häuserreihe wird von der stattlichen Kreuzkirche überragt; das an dieser Seite hinfließende Gewässer ist die Kaitzbach. Bemerkenswerth ist auch, daß das jetzt Sendigsche Eckhaus an der Kreuzkirche damals mit einer Heiligenfigur unter einem Baldachin geschmückt ist. Man ersieht daraus, daß ein solcher plastischer Schmuck nichts Ungewöhnliches war, und wird deshalb um so mehr der Sage, die das Heiligenbild an der Ecke der Schössergasse in eine besondere Beziehung zur ehemaligen Rathhauskapelle bringen möchte, die geschichtliche Berechtigung absprechen dürfen.

Zur Schilderung des Verlaufs einer solchen Hetzjagd geben wir einem Zeitgenossen das Wort. Georg Pezold nämlich, ein Student der Theologie, hat in einer jetzt sehr seltenen Druckschrift in erbaulichen Versen die Festlichkeiten beschrieben, die aus Anlaß einer Kindtaufe am kurfürstlichen Hofe im September 1614 stattfanden. Eine am 26. September auf dem Altmarkte abgehaltene Thierhatz besingt er folgendermaßen:

„Den folgnden Tag ein newe lust,
Die Jägerpursch anstellen must,
Auffn Marckt zu haltn ein Beeren-Jagt,
Welchr vmb vnd vmb mit Bretten vermacht.
Aus allen Gassen gros vnd klein,
Die Jagt zu sehn sich stellen ein.
Kein Fenster war da in keinm Haus,
Da nicht jhr viel sahen heraus,
Etliche auff den Dächern sitzn,
Ja auch wol oben auff den Spitzn.
Ans Rathhauß war ein Gang gebawt
Auff welchm die Herrschafft die Jagt schawt,
Auch ander Gäng warn da vmbher
Allenthalben besetzet sehr.
Wer nicht war an eim ort bekandt,
Der bekam schwerlich einen standt,
Ich selber must mich drücken laßn,
Daß mir der Schweiß gieng vbr die Nasn.
Der Mittag war gleich komn herbey,
Auff dem Marckt hub sich ein geschrey:
Der Churfürst kömpt, macht raum, macht raum,
Ich hatt mich vmbgesehen kaum,
Siehe, auffm Marckt er schon hergieng,
Bald drauff zu Jagen man anfieng:
Inn Kästen thet man führn herein
Große Beeren, auch wilde Schwein:
Ein Polnischn Ochsen stellet man
Mitten auff den Marckt auff den Plan,
Welcher mit den Beern streiten solt,
Weil sie einandr nicht weren holdt.
Vnd nun ließ man ein Beern herauß
Auffn Marckt lauffn, aus seinem Haus,
Ein großer Beer, ein grewlichs Thier,
Deßgleichen kaum vorkommen mir,
Mit frewdn lieff er vbrn Marckt dahin,
Biß er des Ochßen wurde inn:
Mit ihm er sich in Streit einlies,
Der Ochs mit seinen Hörnern sties,
Der Beer sich mit sein Klawen wehrt,
Jetzt fieln sie bald beyd niedr zur Erd:
Aber es wert nicht lang der Streit,
Bald ließn sie von einander beyd,
Vnd lieffen vmbher auff dem Plan,
Vnd sahn einandr von ferne an.
Vier hohe Bäwm warn auffgericht,
Vier Fässr mit Wasser man auch sieht:


  1. Eine ähnliche Abbildung des Altmarktes mit einer Thierhetze im Jahre 1609, aber von der Ostseite aus aufgenommen und daher weniger malerisch, ist in Kupferstich dem „Sammler für Geschichte und Alterthum“ Bd. I, S. 78 beigegeben.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/80&oldid=- (Version vom 11.4.2024)