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II. Jahrgang          1893          Nr. 4.


Von diesen Blättern erscheinen jährlich 4 Nummern von 1 bis 2 Bogen. Bestellpreis für den Jahrgang 3 Mark. Die Vereinsmitglieder erhalten die Blätter unentgeltlich zugesandt.


Hans Jenitz,
Geheim-Sekretär des Kurfürsten August.
Von
Professor Dr. Georg Müller.

Durchblättert man im hiesigen Hauptstaatsarchive die stattliche Reihe von Copialen, die die Regierungserlasse des 16. Jahrhunderts enthalten, so muß man über den persönlichen Antheil staunen, den die Fürsten an der Verwaltung des Landes nehmen. Auf den verschiedenen Gebieten unterstanden alle einzelnen Maßregeln, oft unbedeutender und abliegender Natur, ihrer persönlichen Entscheidung. Die Erlasse wurden nicht selten nach eingehender Erwägung in der fürstlichen Kanzlei entworfen, die eingesandten Vorlagen in wichtigen Punkten geändert; schließlich bedurften alle Reskripte der eigenhändigen Unterschrift des Fürsten.

Mit größter Hochachtung wird man für Herzog Georg den Bärtigen erfüllt, wenn man seine Thätigkeit auf den verschiedenen Gebieten des politischen und wirthschaftlichen Lebens beobachtet. Herzog Moritz behielt sich auch seinen vertrauten Räthen gegenüber die letzte Entscheidung vor und wenn er durch seine großen politischen Pläne in erster Linie in Anspruch genommen wurde, so zeigte er doch auch in zahlreichen einzelnen Fragen, wie z. B. der Gründung und Ausstattung der Fürstenschulen, eine hervorragende Kenntniß und Thatkraft. Am deutlichsten tritt bei Kurfürst August das Bestreben hervor, seine persönliche Auffassung in der Behandlung der einzelnen Fragen zur Geltung zu bringen. Es erforderte dies eine um so größere Thätigkeit und Betriebsamkeit, als der unter seinem Vorgänger vollzogene Gebietszuwachs und der Aufschwung der wirthschaftlichen Verhältnisse an die Regierung höhere Aufgaben stellte und den Kurfürsten selbst ungleich mehr in Anspruch nahm. Unermüdlich zeigte er sich, einen genauen Einblick in die verschiedensten Verhältnisse und ein selbstständiges Urtheil über die vielgestaltigen, an ihn herantretenden Fragen zu bekommen. Er bereiste selbst das Land und zog Erkundigungen ein; er verhandelte eingehend mit seinen Räthen und Beamten; er ließ von sachkundigen Leuten, oft entgegengesetzter Anschauung, namentlich bei schwierigen Fragen Gutachten einholen. Die endliche Entscheidung schloß sich oft nicht einfach an das eine oder andere Urtheil an, sondern in eigenhändig geschriebenem Bedenken that sich der Wille des Kurfürsten kund. Sie beschäftigten sich mit kirchlicher Lehre und Verfassung ebenso, wie mit der Landwirthschaft, mit finanziellen und bergmännischen Fragen und zeigen eine eingehende Beschäftigung mit den behandelten Gebieten.

Diese Vertrautheit konnte sich der Kurfürst nur dadurch verschaffen, daß er in seiner Geheimkanzlei Leute hatte, die durch eigene Kenntniß der Verwaltung, wie des praktischen Lebens, durch ihre Beziehungen zu maßgebenden Fachmännern dem Kurfürsten zur Hand gehen konnten, in der Form aber die Biegsamkeit und Geschmeidigkeit besaßen, um Härten zu mildern und scharfe Aeußerungen in eine weniger verletzende Form zu kleiden. Unter diesen genoß mehr als zwei Jahrzehnte lang des Kurfürsten unbeschränktes Vertrauen der Geheime Kammersekretär Hans Jenitz. Wiewohl er nach außen wenig hervortrat, war er doch einer der einflußreichsten und maßgebendsten Beamten am kurfürstlichen Hofe. Seine Stellung trug einen rein persönlichen, vertraulichen Charakter. Dies tritt bereits


Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/96&oldid=- (Version vom 18.4.2024)