unmittelbar der umstrittene Stein im Schachbrett des Krieges war, mochte eher im Umkreis der Stadt als in ihrem Mittelpunkt eine lebhaftere Bewegung erkennbar fein. Nach der Schlacht bei Kesselsdorf stand die Stadt dem Sieger offen und zum erstenmal sah Dresden einen Eroberer in seinen Mauern: Friedrich der Große zog am 18. Dezember 1745 mit seinen Truppen ein; nachdem aber der frieden geschlossen war, sammelten sich die preußischen Truppen am 29. Dezember marschbereit auf dem Altmarkt sowie in der Schloß und Elbgasse und zogen wieder von dannen. Auch zu Beginn des Siebenjährigen Kriegs war Dresden sofort in der Hand des Feindes und schmerzlich und demütigend mochte es empfunden werden, daß am 3. Oktober 1756 auf dem Marktplatz der Hauptstadt von feindlichen Grenadier-Bataillonen zu Ehren des feindlichen Sieges bei Lobositz drei Salven abgefeuert wurden. Eine seltsame Szene spielte sich am 16. Januar des folgenden Jahres auf dem Altmarkt ab: auf Befehl des Königs von Preußen ward eine Hinrichtung vollzogen, aber nicht an einem Menschen, sondern an einer Druckschrift, des Titels „Kurzer doch gründlicher Beweis, daß das Königreich Böhmen S. K. M. in Preußen zustehe“. Ein Kommando von einem Unteroffizier und acht Gemeinen bildete in der Mitte des Marktes einen Kreis, in den der Auditeur und der Scharfrichter traten: der Scharfrichter ließ durch seinen Knecht in dem Kreise ein Feuer anzünden; bei präsentiertem Gewehr las der Auditeur eine Erklärung vor, des Inhalts, daß Se. Maj. an dieser Schrift seinen Anteil nähmen und auf das Königreich Böhmen keine Gedanken hätten, weshalb Sie vor Gott und aller Welt Augen öffentlich Ihr Mißfallen daran durch diese Exekution kund tun wollten. Darauf gab der Auditeur die Schrift dem Scharfrichter und dieser seinem Knechte, der sie auf dem Feuer zu Asche verbrannte. Nach der preußischen Besetzung kam die Stadt auch wieder in österreichische Hände und es kamen die entsetzlichen Tage der preußischen Beschießung im Juli 1760: am 19. Juli ward die Kreuzkirche in einen Trümmerhaufen verwandelt, auch am Altmarkt standen mehrere Häuser an der Frohn- und Schreibergassenecke in Brand, wie denn in der ganzen Stadt weit über 200 Häuser in Asche sanken; aber da gab es keine lebhafte Bewegung von Löschenden und Zuschauenden auf dem Markt wie 1669, als der Blick in die Kreuzkirche schlug, sondern wegen der großen Lebensgefahr blieb der Platz fast verödet und es brannte ruhig, was brannte. Ende Juli zogen die preußischen Belagerer ab und die Stadt blieb in den Händen der Österreicher; am 16. und 17. April 1761 fand eine Musterung über zwei Kaiserliche Infanterie-Regimenter auf dem Altmarkte statt. Nach etlichen Jahrzehnten der Ruhe kamen wieder die Napoleonischen Kriegswirren, in denen Dresden ein Spielball der streitenden Mächte war. Aus der Hand des versöhnten Siegers empfing das sächsische Fürstenhaus die Königskrone, deren Annahme der Hauptstadt durch einen Herold kund getan ward: in Phantasietracht ritt er mit dem Geleit einer Abteilung Garde du Corps durch die Stadt, auf acht Plätzen hielt er an, auf dem Altmarkt an zwei Stellen, vor dem Rathaus und vor der Wohnung des französischen Kommandanten, und rief in furzen feierlichen Worten die Königswürde aus; die auf dem Rathausaltan versammelten Ratsherren beantworteten die Verkündigung durch Vivatrufe. Nachdem die Stadt im Jahre 1809 einmal längere Zeit von Garnisontruppen ganz entblößt gewesen war, währenddessen die Schützengesellschaften und die Handelsinnung als Bürgerkorps die öffentliche Ordnung bewacht hatten, wurde von der Regierung auf Grundlage dieser freiwilligen Organisation eine aus acht Fußkompagnien und einer reitenden Bürgergendarmerie bestehende National Bürgergarde gebildet. Die Offiziere dieser Bürgergarde legten am 6. September 1809 vor dem Rathaus in die Hand des Generals von Thielmann den Eidschwur ab. Und am 29. April des nächsten Jahres übergab derselbe General auf dem Altmarkt der versammelten Bürgergarde zu fuß und zu Pferde mit feierlicher Anrede Standarte und fahne, worauf die Garde den Treueid ableistete.
Das schlimmste Leidensjahr für unsere Stadt war das Jahr der Befreiung Deutschlands aus dem Joche der Fremdherrschaft. Während die zweitägige Schlacht die Stadt umtobte, sah es wild auf Markt und Straßen aus: der Markt wie die anderen größeren Plätze glichen mit Kriegsmaterial gefüllten Heerlagern und in der Nacht Biwaks mit lodernden Wachtfeuern. Unsägliches Elend hatte die Stadt zu erdulden während der Umzingelung Ende Oktober und Anfang November. Die grimmigste Hungersnot brach über die französische Besatzung und über die Einwohnerschaft herein. Auf dem leeren Markte, der von Schmutz und Unrat starrte, sah man nur wenige Gemüsekörbe, um die hungrige Einwohner und Soldaten sich drängten. Nachdem endlich am 11.november die Kapitulation geschlossen war, brachten österreichische und russische Marketender und Juden Lebensmittel auf den Markt.
Die Kriegsstürme schwiegen. In einer Reihe von Ruhejahren erholte sich die schwer geschlagene Stadt langsam wieder da erhoben sich aus der Seele des Volkes selbst neue Unruhen. Fremdes Beispiel schärfte ihm den Sinn, daß es Rechte forderte. Aus Unzufriedenheit und Widersetzlichkeit wuchs der Geist der Empörung empor, der die Fackel schwang auf Markt und Gaffen. Schon 1792 hatte die französische Revolution einen schwachen Wiederschein auf Dresden geworfen. Ende Juli wurde die Stadt durch einen Schneidergesellen. Ausstand, dem sich die meisten anderen Gesellenbrüderschaften anschlossen, einige Tage lang beunruhigt den
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/12&oldid=- (Version vom 30.11.2024)