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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Vierter Band.pdf/13

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Schneidern mochte wohl aus den Vorgängen in Frankreich der Mut zu ihrem Vorgehen gekommen sein, noch mehr aber stand den Behörden bei diesem an sich harmlosen Vorgang das Schreckgespenst der französischen Revolution vor den Augen, sodaß sie sich zu militärischen Maß nahmen entschlossen: am 26. Juli fuhren zwei Kanonen auf dem Altmarkt auf, die bis zum 1. August dort verblieben. Aber in weiteren Schichten der Bevölkerung weckte erst die Juli-Revolution von 1830 ein wirkliches Echo. Mancherlei Unzufriedenheit mit reformbedürftigen alten Zuständen lag längst als Zündstoff aufgespeichert da. Schon bei der Feier der Augsburgischen Konsession am 25. Juni kam es zu unruhigen Auftritten, deren nächste Ursache der alte Argwohn des Volkes gegen geheime katholische Pläne und Machenschaften war: die in der allgemeinen Festbeleuchtung dunkelgebliebenen Fenster des Rathauses erregten bei der auf dem Altmarkt versammelten Volksmasse heftigen Unwillen. Als nun noch dazu in die Aufregung hinein aus dem offenen Fenster des Hauses an der rechten Ede der Frohngasse von einer Violine der Kammervirtuos franz Schubert spielte sie – der Gassenhauer „Lott' ist tot“ wie höhnend erklang, da war im Nu das Pflaster aufgerissen und Steine flogen gegen das Haus. Der eigentliche politische Aufstand brach nach dem Vorgange Leipzigs in Dresden am Abend des 9. September los und wälzte sich sofort nach dem Altmarkt gegen das Rathaus. Auf Leitern erkletterten etliche Aufrührer den Balkon, kamen so in das Haus und öffneten das verschlossene Tor von innen, sodaß die Waffe eindrang und ihr Zerstörungswerk begann. Gerätschaften und Akten wurden herabgeworfen und unten auf dem Markt verbrannt. Bald aber ließen die Rotten vom Rathaus ab und stürzten sich mit größerer Wut auf das Polizeihaus in der Scheffelgasse, das von Grund aus zerstört wurde. Selbst das über den Altmarkt anrückende Militär, das von der Schußwaffe nicht Gebrauch machen sollte, war dem Steinhagel der wütenden Menge gegenüber zu schwach und wurde über die Brücke nach Neustadt geworfen. Die am Morgen unter dem Vorfis des Prinzen Friedrich August zusammentretende Kommission zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe bildete aus der Bürgerschaft eine Kommunalgarde und übertrug ihr den Schutz der öffentlichen Ordnung. Die Bürgerschaft zeigte sich in ihrem eigensten Vorteil sehr willig und schon am Nachmittag des 10. September hielt der zum Kommandanten der Kommunalgarde ernannte General von Gablenz auf dem Altmarkt die erste Musterung über das neue Bürgerheer ab. Der verhaßte alte Minister Graf Einsiedel nahm seine Entlassung, neben den König trat als Mitregent der allverehrte Prinz Friedrich August, der sofort Reformen in Angriff nahm. Am 14. September Vormittags hielt der Mitregent, mit großer Begeisterung empfangen, auf dem Altmarkt eine Heerschau über die Kommunalgarde und fuhr nachmittags mit dem König durch ihre Reihen. Auch die geforderte Vertretung der Bürgerschaft bei der Stadtverwaltung wurde gewährt. Am 31. Oktober wurde die Feier der Einführung der Kommun-Repräsentanten begangen, verbunden mit einem Dankfest für Wiederherstellung der Ruhe. Nach vollzogener Einsetzung der neuen Bürgervertreter auf dem Rathaus zogen Ratsmitglieder, Kommun-Repräsentanten, Innungsälteste in feierlichem Zuge in die Kreuzkirche und nach dem Gottesdienst unter Vorantritt der Geistlichkeit zurück auf den Altmarkt, den die Kommunalgarde im Viereck umgab: im Innenraum standen der Prinzmitregent und Prinz Johann inmitten der festlichen Versammlung. Glockengeläute und Kanonendonner begleiteten die Feier, die mit dem Gesang eines Chorals und des Sachsenliedes und mit einem Hoch auf die Prinzen beschlossen ward. Aber das Feuer der Empörung war noch nicht ganz ausgetreten und als man im April des folgenden Jahres zur Auflösung des Bürgervereins, des Herdes der fortgesetzten Umtriebe, ja zur Verhaftung einzelner Mitglieder schreiten mußte, loderte es wieder zu einer gefährlichen flamme auf. Um 17. April Nachmittags zog sich auf dem Altmarkt eine dichte Volksmasse zusammen, die von der Scheffelgaffe in das Rathaus eindrang und die Gefangenen befreite. Der bedrängten Wache am Rathauseingang kam Prinz Johann mit wenigen Kommunalgardisten zu Hilfe, nicht ohne eigene Gefahr. Inzwischen besetzte die Kommunalgarde die Ausgänge der zum Markte führenden Straßen und mit Hilfe eines Linienbataillons wurde der Markt gesäubert. Die befreiten Gefangenen waren der Masse wieder abgenommen worden. Auch am nächsten Tage zeigte sich lebhafte Bewegung auf den Straßen, der Altmarkt wurde mit Kommunalgarde und Militär besetzt und gesperrt. Gegen Abend suchten die Aufrührer mit Gewalt auf den Markt vorzudringen; erst als das wegen seiner Langmut bereits verhöhnte Militär eine scharfe Ladung abgab, sodaß Blut floß, stob die Menge auseinander, und auf dem Postplatz, wo sie sich wieder sammelte, wurde der Aufstand ganz niedergeschlagen. Allmählich kehrte nun wieder völlige Ruhe in Stadt und Land ein; am 4. September wurde die Verfassung verliehen und am 11. September versammelten sich die Innungen auf dem Altmarkt, um in feierlicher Weise von Rat und Kommunrepräsentanten ihre Fahnen wieder in Empfang zu nehmen, mit denen am Verfassungstage das Rathaus geschmückt gewesen war. Am 31. Mai 1832 erfolgte die Einführung des nach der neuen Städteordnung gewählten Stadtrates auf dem Rathaus. Die anschließende Feier verlief ähnlich wie bei der Einführung der Kommunrepräsentanten mit Festzug in die Kreuzkirche und Versammlung auf dem Altmarkt.

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/13&oldid=- (Version vom 1.12.2024)