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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Vierter Band.pdf/25

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Vorschein gekommen[1]. Das Gemälde wurde im ersten Zimmer der Kunstkammer aufgestellt bis zum 4. Juli 1663. An diesem Tage ließ es der berühmte Architekt und damalige Kunstkammerinspektor Wolf Kaspar Klengel auf kurfürstlichen Befehl abholen und in das Eckgemach des Stallgebäudes versetzen[2]. Hier sah es im Oktober 1730 der vielgenannte Reisende Johann Georg Keyßler. Infolge eines Mißverständnisses der rechts unten befindlichen lateinischen Inschrift, in der sich der Name des Künstlers jetzt nicht mehr findet, verwechselte Keyßler den Auftraggeber, den Hausmarschall Georg Pflug, mit dem Verfertiger des Bildes und schrieb infolgedessen in seiner „Neuesten Reise durch Teutschland“ 1740[3] das Kunstwerk „einem Herrn von Pflug“ zu. Dieser Irrtum hat sich – wie sich das ebenso bei andern falschen Angaben in der Kunstgeschichte mühelos nachweisen läßt – von Generation zu Generation fortgeerbt, oder reden wir deutlicher: ist immer wieder nachgeschrieben worden. So finden wir ihn in Daßdorfs Beschreibung von Dresden[4] 1782, bei dem, sonst gewissenhafteren Hasche sowohl im „Magazin“ 1787[5] als auch noch in der „Diplomatischen Geschichte Dresdens[6]“ 1817, beim älteren Füßli 1779 (S. 498), beim jüngeren 1810[7], und daß er auch in des Hausmarschalls von Racknitz oberflächlich kompilierter „Skizze einer Geschichte der Künste, besonders der Malerei, in Sachsen“ 1811 (S. 27) nicht fehlt, nimmt uns kaum wunder. Höchstens zerbrach man sich den Kopf darüber, welcher Herr von Pflug, ob Georg der ältere († 1621) oder der jüngere († 1642), dieser „Künstler“ sei. Erst Gebhard versuchte in den „Beiträgen“ 1823[8] einen Mittelweg einzuschlagen, indem er das Bild von „Herrn von Pflug 1634“ gezeichnet und von Vogel ausgemalt sein läßt. Wir müssen bekennen, daß dieser Ausweg, als versuchte Ehrenrettung Vogels, wohlgemeint, aber nicht gerade geschmackvoll erscheint. Selbst die genaue Untersuchung, die der Bibliothekar und Zeichner Friedrich Martin Reibisch in Dresden 1827 dem Gemälde und der freilich schon damals sehr unleserlichen, weil verwischten Inschrift zuteil werden ließ, brachte keine Klarheit; denn Reibisch schloß sich, ohne nachzuprüfen, der Vermutung Gebhards an[9]. Dennoch zeigen die oben gegebenen Nachrichten zur Genüge, daß wir es mit dem Originalwerk Vogels zu tun haben. Unter dem richtigen Namen hat denn auch der Herausgeber dieser Blätter die Ansicht in seinen „Atlas von Dresden“ unter 6b aufgenommen, nach Reibischs gleich zu erwähnender Lithographie. Unter Berufung auf Richters Atlas zitiert Cornelius Gurlitt ebenfalls richtig in den „Kunstdenkmälern Dresdens“ S. 2.

Der eben genannte Reibisch erwarb sich um die große Ansicht von Dresden insofern ein Verdienst, als er sie in halber Verkleinerung (– nicht in dreifacher, wie er selbst im Vorwort fälschlich angibt! –) auf Stein abzeichnete. Es war dies keine leichte Aufgabe, da man aus Unverständnis, durch unbedachtsames „Reinigen“, schon in früherer Zeit das Bild stellenweise verdorben hatte. Viele Gegenstände an den Seiten und unten waren schon zu Reibischs Zeit so verwischt, daß der Nachzeichner nur unter Aufwendung großer Mühe etwas erkennen konnte. Das Resultat seiner Arbeit liegt uns in dieser Lithographie vor, der er einen kurzen Text von wenigen Seiten mit geschichtlichen Angaben über die wichtigsten der dargestellten Gebäude beifügte. Das Blatt gewinnt dadurch an Interesse, daß es die einzige Reproduktion nach einem Werke Vogels ist.


Wenige Kunstwerke nur sind es, die Andreas Vogel der Nachwelt hinterlassen hat. Wir kennen die Gründe, die daran schuld tragen. Manche seiner Schöpfungen mag vielleicht auch durch geschichtliche oder natürliche Verhältnisse ihren Untergang gefunden haben, manche andere an unzugänglichem Orte verstaubt und vergessen solchem Untergange entgegeneilen. Umso wertvoller müssen uns die noch vorhandenen und bekannten Stücke sein, zumal sie Bilder unsrer Stadt geben aus einer Zeit, die wir ganz genau bestimmen können. Durch diese Darstellungen allein vermögen wir uns auch ein Urteil über die künstlerischen Qualitäten des Autors zu bilden. Es lautet etwa: Nicht einen Stern erster Größe haben wir in diesem Landsmanne vor uns, aber einen ernst strebenden und denkenden Künstler, der Sorgfalt und Anmut vereinigt. Unter günstigeren Lebensverhältnissen hätte er sicherlich Größeres erreichen können. Darum nenne man, wenn man von heimischen Künstlern und deren Werken spricht, in Zukunft auch mit Achtung den Maler Andreas Vogel und seine Dresdner Ansichten.


  1. Schon 1741 waren sie nicht mehr vorhanden.
  2. Akten der Generaldirektion Xa, 22 Außgabe bey der Kunft Kammer – Anno 1658 [– 1676] S. 27.
  3. II. Teil (Hann. 1741) S. 1079: „– Die Stadt Dresden von einem Herrn von Pflug auf schwartzes Holtz (!) gemahlet“.
  4. „Beschreibungen der vorzüglichsten Merkwürdigkeiten d. churf. Residenzstadt Dr. –“ (Dr. 1782) S. 643.
  5. S. Joh. Chrn. Hasche, „Magazin der Sächs. Geschichte“ IV, 1787 S. 111 f. 370.
  6. 3. Teil 1817 S. 330.
  7. H. H. Füßli, Allg. Künstlerlex. II, 5 (Zürich 1810) S. 1081.
  8. S. Anm. 52.
  9. Vgl. das Vorwort in: Reibisch, Fr. M., „Perspektivischer Plan von Alt-Dresden von 1634, nebst seinen Merkwürdigkeiten und vorzüglichen Gebäuden (mit 11/2 Bogen Text)“ gr. 4 (Dresd. [1827]).
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/25&oldid=- (Version vom 11.11.2024)