auch diesesmal auf eine baldige Rückäußerung rechnen zu dürfen. Ich sehe aber aus allem, daß der König mich nicht gerne ziehen läßt; denn es fehlt mir seit einigen Tagen nicht an Nachrichten von verschiedenen Seiten, die mir darüber Mittheilungen machen. Einmal schien die noch unvollendete Arbeit ein Hinderniß zu sein mich zu entlassen; ein ander mal geschah eine Anfrage an mich auf indirectem Wege, ob ein neuer Auftrag mich etwa halten könne. Ist das erste nicht der Fall, da durch den im voraus bewilligten Urlaub die Vollendung der Nibelungen gesichert ist, so habe ich in Bezug auf das zweite erklärt, daß ich durch die ununterbrochen fortlaufenden großen Arbeiten mich jetzt ermüdet fühle und Verlangen habe in anderer Weise thätig zu sein, nämlich in so ferne als ich den Wunsch habe weniger umfangreiche Werke gehörig durchzubilden, wozu die ewige Hetzerei mich nie hat kommen lassen.
Habt nur noch ein wenig Geduld, Ihr lieben Freunde, es wird alles recht werden und ich sehe jetzt nicht ab, was mich halten könnte zu Euch zu kommen. Eines, was ich früher nicht so in Anschlag gebracht habe und nicht bringen konnte, weil ich von dessen Existenz keinen Begriff hatte, legt sich jetzt freilich am hinderlichsten in den Weg. Das ist die Abneigung meiner Frau, München zu verlassen. Manches hat dazu beigetragen ihre Empfindung zu einer bedenklichen Höhe zu steigern, namentlich der Tod unserer lieben ältesten Tochter. Ich habe, bevor ich mich gegen Euch erklärte, alle schuldige Rücksicht gegen sie geübt, dessen kann Thaeter mein Zeuge sein; der Umstand ist aber der, daß sie selbst erst nach der Zeit die Sache bitterer empfunden hat. Ich denke Gott wird helfen, in dessen Hand ich mich von Anfang an auch in dieser Sache gegeben habe. Habt Ihr nur noch etwas Geduld, beurtheilet uns freundlich und nachsichtig und vertretet uns, wo Ungeduld sich zeigen will.
Ganz hinterher danke ich Dir noch für Deinen lieben herzlichen Brief, auch für die freundlichen Aeußerungen, die Du gegen Jäger gethan hast. Jäger wird in vierzehn Tagen München verlassen. Den müßtet Ihr noch haben. Versäumet ja nicht sein Bild zu sehen.
Die herzlichsten Grüße an die Freunde Bendemann, Hübner, Thaeter. So wie ich vom König Antwort habe, und jetzt allerdings kann sie jede Stunde eintreffen, so schreibe ich an Se. Excellenz.
Von ganzem Herzen der Deinige
München den 7. April 1846.
Heute ist Quandts Geburtstag.
Und in dieser Stunde, da ich den Brief schließe, nahet sich mein Sohn Carl zum ersten Mal dem Tische des Herrn in Eurer Hofkirche. Gott sei mit ihm!
4.
Verehrter Freund!
Dein lieber Brief, den ich gestern Abend erhielt, hat mich in eine peinliche Stimmung versetzt, da ich die Möglichkeit sehe, daß unsre Hoffnungen noch an zwei Hindernissen scheitern können, obgleich wieder tröstlich Dein Wunsch, bei uns zu seyn, durchleuchtet. O ich kann mir wohl denken, welche Empfindungen an der Grenze solcher Lebensfrage Dich gewissenhaften pflichtgetreuen Mann bestürmen mögen, doch der rechte Ausweg wird sich Dir öffnen, da Du Deine Sache in Gottes Hand gelegt.
Wohl bist Du dem Könige Ludwig dankbarste Rücksicht schuldig, doch zu Gleichem ist auch er gegen Dich verpflichtet, und mir scheint, er hat diese Pflicht gegen Dich nicht immer geübt. Das Vaterland hat freilich nichts an Deinem Glücke gebaut, allein das Volk kann nicht dafür, es erkennt Dich verehrend an, es wird Dich lieben, wie auch Du gewiß zu ihm einen gleichen Zug fühlst. Nach dem Vaterlande zurückkehren, kann nie gemisdeutet werden. Ein andres ist es, wo für Dich, den Künstler, der befriedigendere Wirkungskreis gefunden wird, der zugleich den Pflichten genügt, die Du gegen Deine Familie zu erfüllen hast. Einestheils wird hier eine innre Stimme entscheiden, wie Du schon angedeutet hast, da Du Dich nach einer stillern ruhigern Thätigkeit sehnst, anderntheils können Zahlen Zweifel haben. Des Königs Antwort wird für Dich hier bestimmte Entscheidung erleichtern.
Das Wichtigste freilich ist die Stimmung Deiner lieben Frau, doch wer sie kennt, bezeugt ihr ein starkes Gemüth; wie sie überzeugenden Gründen ihre Empfindungen unterordnen wird, so gewiß wird sie für viel Verlornes Ersatz finden, und kann nicht alles ersetzt werden, wird sie an dessen Statt auch Neues gewinnen. Sie kennt Dresden nicht, weiß nicht, wie wohnlich und heimisch sich ohn Unterschied jeder Fremde findet, und sie, die nicht fremd hier eintritt, sondern herzlich empfangen und aufgenommen seyn wird, wird um so schneller heimisch werden.
Könnten wir Euch freilich hier nicht glücklich sehn, möcht ich Euch nicht herwünschen, können aber wichtige Gründe entscheiden, und ist es deshalb Gottes Sache Euch herzuführen, dann darf Euch nicht bangen, Ihr werdet glücklicher seyn, als Ihr glaubtet wünschen zu dürfen.
Der Herr Minister ist verreißt und kommt erst nach den Feiertagen wieder. Ich werde dann sogleich hingehn.
Gott führ es zu Aller Befriedigung hinaus, und lasse, wie es komme, nur keine Zweifel in Dir zurück.
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 255. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/260&oldid=- (Version vom 4.12.2024)