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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Zweiter Band.pdf/101

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Im nächstfolgenden Jahre – er hatte sein 46. Lebensjahr nahezu zurückgelegt – entschloß er sich endlich zur Eingehung eines Ehebündnisses. Am 6. Februar 1751 vermählte er sich mit der am 18. August 1708 auf Schloß Hartmannsdorf in Schlesien geborenen, damals also 42 Jahre alten Johanna Eleonore verwittweten von Gersdorff, geb. Freiin von Richthof (auch Richthofen genannt). Ihr erster Gemahl Carl Ernst von Gersdorff, ein Verwandter unseres Gersdorff, war als Oberstlieutenant a. D. 6 1/2 Jahre vorher gestorben.[1] Sie war Besitzerin des Rittergutes Nieder-Rengersdorf bei Görlitz und brachte ihrem zweiten Gatten zwei bereits in angehendem Mannesalter stehende Söhne zu, an denen dieser, wie später ihm nachgerühmt worden ist, jederzeit alle väterliche Sorgfalt und Treue bewiesen hat.

Es mag vorweg erwähnt werden, daß Gersdorff ziemlich 19 Jahre lang eines glücklichen, aber kinderlos gebliebenen Ehestandes sich erfreut hat, bis ihm der Tod die Gattin entriß, die er dann noch um mehr als 17 Jahre überlebt hat.

Sehr bedauerlich ist, daß privater handschriftlicher Nachlaß Gersdorff’s nirgends hat aufgefunden werden können. Erklärt wird dies dadurch, daß er, weil ohne Descendenz, einen nicht der Familie Angehörigen zum Universalerben eingesetzt hat. Infolgedessen kann über Privat- und Familienleben Gersdorffs nur wenig berichtet werden.

Wir haben uns nun der traurigsten Epoche in dem Leben Gersdorffs genähert.

Es muß hier eingeschaltet werden, daß schon seit geraumer Zeit Graf Rutowski, der Generalfeldmarschall, anfangs allein, später im Vereine mit dem Chevalier de Saxe, welcher (12. Mai 1755) zum Stellvertreter des Ersteren für Behinderungsfälle ernannt worden war, in ausführlichen, an den Premierminister Grafen Brühl gerichteten Eingaben, unter Hinweis auf die exponirte Lage des Kurstaates zwischen Preußen und Oesterreich, auf das völlig Unzulängliche der militärischen Verhältnisse aufmerksam gemacht und die energische Ergreifung von Maßregeln zum Schutze des Landes in dringlichster Weise befürwortet und beantragt hatte. Brühl, in unbegreiflicher und unverantwortlicher Sorglosigkeit, glaubte nicht an den Ernst der Lage und blieb unthätig. Erst am 24. August 1756, wenige Tage vor dem ohne vorherige Kriegserklärung erfolgten Einmarsche der preußischen Heeresmacht, wurden ernstere militärische Vorkehrungen getroffen. Die nach und nach auf die Ziffer von nicht mehr ganz 20,000 Mann herabgesunkene, nicht schlagfertige kursächsische Armee wurde mit Einschluß der Kadetten in einem auf dem linken Elbufer zwischen Pirna und der Festung Königstein in Eile abgesteckten Lager vereinigt. Hier finden wir den Generalmajor von Gersdorff als Kommandanten der 2. der daselbst stehenden vier Infanterie-Brigaden des ersten Treffens. Diese Brigade bestand aus den je zwei Bataillonen des von seinem Bruder Christoph Leopold kommandirten Regiments Prinz Xaver, des Regiments Prinz Friedrich August und der Garde zu Fuß.

Am 3. September, demselben Tage, an welchem in der Feste Stolpen der erste Schuß des siebenjährigen Krieges auf den alten Kommandanten, Generalmajor von Liebenau, fiel, begab sich der König-Kurfürst mit den Prinzen Xaver und Karl, seinen Söhnen, und begleitet vom Minister Brühl, in den Lager-Rayon und nahm auf dem Rittergute Kleinstruppen Wohnung. (Die Regierungsgeschäfte waren den Geheimen Räthen unter dem Vorsitze des Kabinetsministers Grafen Wackerbarth übertragen worden.)

Eine Darstellung der Verhältnisse in dem Struppener Lager und der nach dem Verlassen desselben eingetretenen Katastrophe kann nicht entbehrt werden, weil darin die persönlichen Erlebnisse Gersdorff’s und die wohl am tiefsten ihn bewegenden Eindrücke seines ganzen Lebens sich spiegeln. Das Terrain des Lagers war zu ausgedehnt, als daß es von der verhältnißmäßig schwachen Truppenzahl trotz der eiligst errichteten Erdwerke wirksam hätte vertheidigt werden können. Das Unzureichende der für das Einrücken der Armee in diese Stellung getroffenen Vorbereitungen aber hatte zur Folge, daß es daselbst schon am ersten Tage an den nöthigsten Lebensbedürfnissen fehlte; auf dem Plateau herrschte sogar Mangel an Wasser. Der ursprünglich für den 4. September geplante und damals noch sehr wohl ausführbare Abmarsch der Armee nach Böhmen unterblieb, infolge der Aengstlichkeit Brühl’s, weil sich preußische Vortruppen in Schandau gezeigt hatten; später, als zwischen dem sächsischen Lager und der böhmischen Grenze immer zahlreichere preußische Truppen vorgeschoben worden waren, wurde er zur Unmöglichkeit.


    beides mit Goldstickerei, rothe Beinkleider; während 1753 wieder rothe Röcke, Westen und Beinkleider, je mit Goldtressenbesatz, eingeführt wurden, wie sie die Generalität unter August dem Starken getragen hatte. Endlich erhielten die Generäle 1766, unter Beibehaltung der rothen Unterkleider, dunkelblaue Röcke mit reicher Goldstickerei.

  1. Carl Ernst von Gersdorff, geb. 13. Dezember 1689, ist lt. des Todtenregisters in den alten evangel. Kirchenbüchern zu Görlitz am 21. Juni 1745 daselbst gestorben und in der Familiengruft zu Rengersdorf bei Görlitz beigesetzt worden. Er wird als verabschiedeter Obristlieutenant des „Kadischen“, soll heißen: Katteschen (später Prinz Sondershausenschen) Dragoner-Regiments bezeichnet. Durch Vorstehendes werden einige irrige Angaben im Lausitzer Magazin, 1770. S. 7 f. und in: „Gersdorff’sche Familien-Nachrichten“ (Quedlinburg, 1818) S. 83, berichtigt.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/101&oldid=- (Version vom 24.7.2024)