Zum Inhalt springen

Seite:Dresdner Geschichtsblätter Zweiter Band.pdf/106

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Kurstaates“ erwähnt werden, die er im Jahre 1774 in Vorschlag brachte[1]. Bei dem Neubau des Ständehauses auf der jetzigen Landhausstraße (an Stelle des 1760 in Trümmer geschossenen Flemming’schen Palais) war er einer und anscheinend der maßgebendste der drei mit der Direktion des Baues betrauten landesherrlichen Kommissarien (1770/75)[2].

Aus Gersdorff’s Privatleben ist nachzutragen, daß das Jahr 1769, in welchem er sein 64. Altersjahr vollendet hatte, ihm eine zweifache Familientrauer brachte. Am 23. September 1769 starb sein älterer Stiefsohn Rudolph Ernst von Gersdorff auf Mückenhain und Horcka im erst angetretenen 41. Lebensjahre[3] und zwei Monate darauf, am 26. November desselben Jahres, raubte ihm der Tod seine Gattin. Sie verschied zu Rengersdorf nach zurückgelegtem 61. Lebensjahre infolge einer kurzen Krankheit, die sie sich bei dem in Horcka stattgefundenen Begräbnisse ihres eben genannten Sohnes erster Ehe zugezogen zu haben scheint. Am 1. Dezember 1769 ward sie in der Gruft zu Rengersdorf beigesetzt[4]. Das Rittergut Nieder-Rengersdorf erbte ihr einzig überlebender jüngster Sohn erster Ehe Adolf Traugott von Gersdorff auf Meffersdorf, Wigandsthal u. s. w.[5] und sein Stiefvater übergab ihm dasselbe im nächstfolgenden Jahre.

Nach jenem Schicksalsschlage und bei seiner häuslichen Vereinsamung scheint General von Gersdorff neben der amtlichen Thätigkeit in erhöhtem Maße seinen Lieblingsstudien sich hingegeben zu haben. Hierin wurde er dadurch begünstigt, daß 1771 seine Ernennung zum Chef des Ingenieurkorps erfolgte und die Kommandogeschäfte dem Obersten Fäsch übertragen wurden. Als Chef blieb er nicht blos in enger Verbindung mit dem Korps, sondern auch in allen wichtigeren Angelegenheiten maßgebend für dasselbe.

Nach dem auch anderwärts bestätigten Zeugnisse der „Gersdorff’schen Familien-Nachrichten“ (Quedlinburg, 1818) ist er der Verfasser eines anonym und ohne Jahreszahl erschienenen Buches, welches den Titel führt: „Allgemeine und besondere Anmerkungen vom einheimischen und fremden Handel, von Sammlung einiger Abgaben, welche an sehr vielen Orten übel verstanden und noch schlimmer ausgeübet und angebracht werden“. Als Druckort ist, wohl zu mehrerer Wahrung der Anonymität des Verfassers, der erfundene Ortsname „Cosmopolis“ angegeben. Das Buch ist, wie sich aus einigen darin enthaltenen Bemerkungen ergiebt, im Jahre 1774 vollendet worden und wohl auch erschienen. Es hat unzweifelhaft Aufsehen erregt und ist bald vergriffen gewesen. Denn eine „Zweyte verbesserte Auflage, Leipzig, bei Johann Friedrich Junius, 1776“ ist schnell gefolgt[6]. Auf den 188 Quartseiten, denen eine Einleitung von 8, in der zweiten Auflage von 10 Seiten vorausgeht, wendet sich der in der deutschen, französischen und englischen volkswirthschaftlichen Litteratur in hohem Grade belesene Autor, allenthalben mit besonderer Bezugnahme auf die gewerblichen, merkantilen und sonstigen allgemeinen Verhältnisse in Kursachsen, zunächst gegen die allzugroße Begünstigung des fremde Waaren, hauptsächlich Luxusbedürfnisse, einführenden Handels, giebt dann eine von Gesetzkenntniß zeugende ausführliche Geschichte der unter Johann Georg I. im Jahre 1613 eingeführten und nach und nach immer mehr erhöhten und erweiterten Accise und unterwirft diese Steuerschraube mit einem Freimuthe, der nicht selten zu bitteren Zwischenbemerkungen führt, einer ebenso eingehenden als einsichtsvollen Kritik. In der Accise, wie sie zu seiner Zeit sich ausgebildet hatte, erblickt er das bedeutendste Hinderniß für die dringend nöthige Hebung des Volkswohlstandes, dessen Niedergang, wie er überzeugt ist, keineswegs nur durch die Unbilden der letzten Kriege hervorgerufen sei; er dringt deshalb auf einen vollständigen Bruch mit dem „alten Schlendrian“ und auf Umgestaltung der Steuergesetzgebung, für welche er prinzipielle Vorschläge macht. Das Buch stellt sich dar als das Produkt eines erleuchteten Geistes, der seine Impulse erhält von einem warmen Herzen für das Volk und dessen Wohlfahrt.

Einen weiteren kleinen Beitrag zur Charakteristik des trefflichen Mannes liefern im Besitze des Verfassers befindliche vertrauliche Briefe, die in Dresden zu einer Zeit geschrieben worden sind, zu welcher Gersdorff Chef des Ingenieur-Korps war. Aus dieser Korrespondenz geht hervor, daß der Generallieutenant von Gersdorff mit seinen Untergebenen keineswegs nur dienstlich verkehrte,


  1. Acta cit. Conv. VII. B. 34. – Loc. 1081.
  2. Die Mitkommissarien waren der Oberkammerherr Graf Vitzthum und der Vize-Obersteuerdirektor von Nizschwitz, sowie auf Vorschlag der Stände ernannt: der Geheime Kammer- und Bergrath von Heynitz und der Rath zu Dresden. – Acta der Geh. Cabinets-Canzley, die Erbauung eines Land- und Steuerhauses betr. d. ao. 1763 ff. – Haupt-St.-Archiv Loc. 1436.
  3. Geboren 3. August 1729 zu Rengersdorf, zeitlebens schwächlich, aber zweimal (mit einem Fräulein von Uechtritz und nach deren Tode mit einer von Zedlitz) verheirathet, hinterließ die Letztere und 5 Kinder aus beiden Ehen. Lausitzer Magazin II (1769) S. 368 f.
  4. Sterberegister des Rengersdorfer Kirchenbuches und Lausitzer Magazin III (1770) S. 7.
  5. Er war den 24. März 1744 zu Nieder-Rengersdorf geboren, verheirathete sich den 16. Oktober 1770 zu Budissin mit Rahel Henriette von Metzradt aus dem Hause Malschwitz, Tochter des Hauptmann Karl Gottlob v. M. und dessen Gattin Johanne Henriette Christiane, geb. von Kalbe. (Chronik von Rengersdorf, im Pfarr-Archive daselbst.)
  6. Beide Auflagen sind in der Kgl. öfftl. Bibliothek zu Dresden sub Hist. Saxon. M. 241 z. u. 242 zu finden.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/106&oldid=- (Version vom 25.7.2024)