Zum Inhalt springen

Seite:Dresdner Geschichtsblätter Zweiter Band.pdf/108

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

interimistisch und fungierte solchergestalt längere Zeit als alleiniger Kabinetsminister[1].

Im Militär-Departement hatte Gersdorff nun sehr bald bedeutende Aufgaben zu lösen, als deren nächstes Resultat ein von ihm gegengezeichneter Befehl des Kurfürsten vom 12. März 1778 sich darstellt, welcher eine sorgsam erwogene neue Formirung der Armee anordnete, hervorgerufen durch die Voraussicht, daß der letzteren neue kriegerische Thätigkeit bevorstehe. Im April 1778 wurde die Armee auf den Kriegsfuß gesetzt und bei Dresden zusammengezogen. In dem nun folgenden bayrischen Erbfolgekriege focht dieselbe an der Seite der preußischen Truppen unter dem Oberbefehle des Prinzen Heinrich von Preußen bis zu dem Abschlusse des Friedens zu Teschen vom 13. Mai 1779.

Die Wiederherstellung des Friedensfußes, eine veränderte Dislokation der Truppen im Lande, später, in den Jahren 1780 und 1782 wiederholte Erhöhungen des Etats der Infanterie-Regimenter, 1786 auch der Kavallerie, nahmen die Thätigkeit Gersdorff’s weiter in Anspruch. Für die Stellung des Staatssekretärs der Militärkommando-Angelegenheiten begann übrigens damals bereits, jedoch nur außeramtlich, die Bezeichnung „Kriegsminister“ in Gebrauch zu kommen.

Noch ist ein in wenige Worte gefaßtes Urtheil über den Kabinetsminister von Gersdorff beizubringen, welches der zur Beurtheilung des Mannes Kompetenteste im Lande ausgesprochen hat. Es ist dies kein Geringerer, als der Kurfürst Friedrich August III. (der nachmalige König Friedrich August der Gerechte). In seinem „Politischen Testamente v. J. 1787“, einer Schrift, die in weiteren Kreisen noch viel zu wenig bekannt ist, sagt der Kurfürst bei Besprechung der Geschäfte des Staatssekretärs der Militär-Angelegenheiten Folgendes: „Ich habe das Glück gehabt, in der Person des Generals von Gersdorf einen Mann zu finden, der militairische Wissenschaft mit einem im Kriege gegründeten Rufe, einer vollkommenen Rechtschaffenheit und einer richtigen Beurtheilungskraft vereinigt“. Hinzugefügt ist: „Daß seine Kräfte ihm noch lange erlauben werden, die Pflichten seines Amtes zu erfüllen, ist mehr zu wünschen, als zu hoffen“[2].

In welch’ gnädiger Weise der Monarch wohlwollende Rücksichten auf seinen treuen Diener nahm, der i. J. 1785 bereits das 80. Lebensjahr vollendet hatte, zeigt folgende Randbemerkung an einer anderen Stelle des „Politischen Testaments“: „Das Alter des Cabinetsministers von Gersdorf und die mindere Wichtigkeit der currenten Militairsachen haben mich veranlaßt, ohne einen mündlichen Vortrag von ihm anzuhören, in den dazu bestimmten Stunden ihm bloß meine Resolution oder Zweifel zu sagen und seine Meinung zu begehren“[3].

Ueber zehn Jahre lang, bis an seinen Tod, hat der würdige Greis das Staatssekretariat und die oben genannten Nebenämter verwaltet. Die zunehmende Schwäche des Körpers, welche die letzten Altersjahre ihm brachten, beeinträchtigten seine Arbeitskraft nur wenig. Von der Außenwelt mehr und mehr zurückgezogen, führte er das stille Leben eines Weisen; die Ruhe und Heiterkeit seiner schönen Seele verblieb ihm bis an das Ende seiner Tage.

In dem von ihm bewohnten Hause des Geheimerath von Fritsch auf der Moritzstraße Nr. 760[4] ist er ohne vorherige Krankheit am 11. Februar 1797 früh gegen 7 Uhr im fast vollendeten 82. Lebens- und 57. Dienstjahre sanft entschlafen.

Am nämlichen Vormittage verschritt das Generalkriegsgericht unter Hinzuziehung von Vertretern des kurfürstl. Geheimen Cabinets und des Ingenieurkorps im Sterbehause zur Versiegelung aller Behältnisse, welche amtliche Skripturen etc. enthielten, und zur Eröffnung des zwei Jahre zuvor bei dem Generalkriegsgerichte niedergelegten Testaments an den Premierlieutenant des Ingenieurkorps Carl Leopold Rodewitz[5].

Dieser Offizier, seit 1768 Lehrer der Architektur an der Ingenieur-Akademie, war zum Universalerben ernannt. Er hatte von langer Zeit her der besonderen Gunst Gersdorff’s sich zu erfreuen, der ihm wahrhaft väterlich zugethan war. Familiär vereinsamt, wie der alte Herr war, hatte er in seinen letzten Lebensjahren ihn mit in seine Wohnung aufgenommen[6].


  1. Ausführlich bei Bülau, a. a. O. S. 213 ff. Daß Gersdorff es war, der den beiden Ministern ihre Entlassung zu verkünden hatte, wird in dem oben erwähnten Aufsatze von Weber’s bestätigt.
  2. Dr. Karl von Weber’s Archiv für die Sächs. Geschichte. X. (1872) S. 337 ff., insbes. S. 382. Da das „Politische Testament“ das Datum des 6. Dezember 1787 trägt, während Gersdorff bereits am 12. Februar dess. Js. verstarb, so geht hieraus hervor, daß die Niederschrift des „Polit. Testaments“ mindestens ein Jahr zuvor begonnen worden ist.
  3. Archiv f. d. Sächs. Geschichte a. a. O. S. 343.
  4. Dasselbe ist beim Durchbruche der König Johannstraße mit gefallen; an seiner Stelle steht jetzt das neben Meinholds Sälen gelegene Eckhaus Moritzstraße 8b.
  5. Acta, den Nachlaß des Cabinetsministers etc. C. A. v. Gersdorff etc. betreffend. – K. S. Kriegsarchiv, Vermögensrechtl. u. gerichtl. Angelegenheiten der Offiziere und Beamten, G. Nr. 177.
  6. Rodewitz, geb. d. 10. Juli 1744, wurde d. 1. November 1790 während des sächs. Vicariates in den Reichs-Adelstand erhoben (Acta, Reichs-Vicariatssachen, Gratiosa, Vol. II Bl. 133, Vol. IV Bl. 48 f., 50, 62, 117. – Haupt-St.-Archiv Loc. 3128), nahm mit dem Charakter als Major später den Abschied und starb zu Dresden am 20. Dezember 1813 ohne männliche Erben. Ueber seinen Nachlaß, der gewiß Manches über Gersdorff enthalten hat, ist leider nichts zu ermitteln gewesen.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/108&oldid=- (Version vom 25.7.2024)