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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Zweiter Band.pdf/183

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gewann, daß fortan eine geregelte, vernunftgemäße Freiheit die Menschen erheben und veredeln, den Unterschied der Stände mit seinen Mißtrauen und Mißmuth verbreitenden materiellen und politischen Vorrechten zu Gunsten einer kleinen Minderzahl, der ungeheuern Mehrheit gegenüber, ausgleichen und der Einzelne von nun an ohne Rücksicht auf Geburt und Vermögen dasjenige, was er nach seinen moralischen und geistigen Eigenschaften werth sei, gelten werde.

Ich fühlte mich namentlich durch den Glauben beglückt, daß das deutsche Volk mit seiner angebornen Biederkeit und seiner hohen Intelligenz dem Auslande endlich die gebührende, obgleich so lange vorenthaltene Achtung abzwingen werde, und darum war es wiederum die Wahl zu der Frankfurter Nationalversammlung, welche meinen höchsten Enthusiasmus hervorrief, weil ich in ihr den geistigen Kampfplatz erblickte, auf welchem deutsche Treue und deutsche gründliche Bildung ihre ersten Lorbeeren pflücken und einen glänzenden Sieg über französische Petulanz und Halbwisserei, sowie über Englands Krämerpolitik davon tragen sollten.

Leider hatte von dem Tage an (es war am 9. März 1848), wo ich zuerst am Neustädter Rathhause, Nachmittags in der fünften Stunde, die von dem neuernannten interimistischen Vorstande des Ministerii des Innern, Dr. Zschinsky, unterzeichnete Bekanntmachung, die Aufhebung der Censur betreffend, zu Gesicht bekam, bis zu dem Tage, an welchem für Neustadt-Dresden die Wahl zum Frankfurter Parlamente stattfand, dem 13. Mai 1848, theils überhaupt in der Presse, theils insbesondere aber auf dem nachher sogenannten Vorparlamente zu Frankfurt a. M. eine in jener Zeit noch nicht geradezu mit dem Namen der Demokratie präcisirte Partei sich bereits Maßlosigkeiten und Uebergriffe so toller und allen Gesetzen hohnsprechender Art erlaubt, daß ich nur zu gut erkannte, wie dringend nothwendig es sei, jenen jugendlichen Organisationsplänen stabilere Elemente, namentlich praktische Erfahrung und staatsmännische Klugheit, gegenüber zu stellen, wenn nicht in dem Taumel einer Begeisterung, welche alle geschichtliche Entwickelung der bestehenden Verhältnisse, sowie die daraus entstandenen Sitten, Gewohnheiten, Sympathien und Antipathien der deutschen Völkerstämme prinzipiell mit Füßen trat, insbesondere aber unter dem Einflusse der an Wahnsinn grenzenden Behauptung, daß man mit der Vergangenheit gänzlich gebrochen habe, eine neue Ordnung der Dinge in der Luft aufbauen wollte, jede Aussicht auf die Möglichkeit, etwas Dauerndes zu schaffen, verloren gehen sollte.

Denn bei aller Empfänglichkeit für die Idee, Deutschlands Fürsten und Völker theils unter sich, theils nach außen hin zu einer großen, wechselsweise vertrauensvollen und darum glücklichen Familie umgeschaffen zu sehen, hatte ich doch nie einen Augenblick gezweifelt, daß sich dies nur durch Heiligachtung der gegenseitigen Rechte, auf dem Wege gesetzlicher Organisation und unter Respektirung der unter der Herrschaft von Jahrhunderten gebildeten Nationalcharaktere aller einzelnen deutschen Stämme erreichen lasse. Ja ich war mir sogar darüber vollkommen klar, daß es der ganzen Macht und Neuheit jener Idee bedürfen werde, um den bigotten Tyroler neben dem frivolen Berliner, den gemüthlichen Gefühlsmenschen aus Schwaben neben dem geistig durchbildeten Hannoveraner etc. zu brüderlicher Nachbarschaft auf einer Bank in dem gemeinsamen Hause einer deutschen Reichsverfassung zu vermögen.

Darum habe ich aber auch von jeher an der Ueberzeugung festgehalten und hänge ihr noch immer auf das Innigste an, daß, wie auch immer die politische Gestaltung Deutschlands als eines Staatenconglomerates ausfallen möge, Glück und Segen nur dann daselbst auf die Dauer einziehen könne, wenn jene gemeinschaftlichen Regierungs- und Verwaltungsmaßregeln jedem einzelnen Staate, dem sein Territorialumfang überhaupt die Möglichkeit einer selbstständigen Existenz darbietet, seine eigene, nach Bildung und nationellen Eigenthümlichkeiten zu bemessende, freie Fortbildung auf geistigem wie auf[WS 1] materiellem Gebiete gewährleisten.

Bei solchen Ansichten und zugleich im Hinblick auf die Civilisation der größeren Mehrzahl der auf einen verhältnißmäßig kleinen Raum dicht zusammengedrängten deutschen Völkerschaften, mußte meine politische Ueberzeugung eine jede andere als die konstitutionelle monarchische Regierungsform für praktisch unausführbar ansprechen, und sie mußte es deshalb, weil eine republikanische Regierungsform, möchte sie nun für jeden einzelnen deutschen Staat insbesondere oder als eine gemeinsame deutsche Republik geschaffen werden, stets nur auf Kosten jener, aus einer langen Vorzeit in die Gegenwart herüber vererbten, nationellen und darum charakteristischen, mit den einzelnen Stämmen verwachsenen Besitzthümer sich würde erreichen lassen, ohne daß für diesen Verlust aus den bei so dichter Aufeinanderhäufung der Einwohnerschaften doppelt gefährlichen Schwankungen in dem republikanischen Staatsleben irgend ein stabiler Ersatz zu gewarten stände.

Hierzu kam, soviel Sachsen insbesondere anlangt, daß die unerschütterliche Anhänglichkeit meines verstorbenen Vaters an den seligen König Friedrich August, welchem er in der damaligen Geheimen Kabinetskanzlei lange Jahre hindurch gedient und den er auf vielfachen Reisen nach Warschau, Frankfurt a. M. und Plauen, Regensburg, Prag etc. begleitet hatte, auch

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: doppelt auf
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/183&oldid=- (Version vom 10.8.2024)