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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Zweiter Band.pdf/184

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auf mich übergegangen war, ja daß ich in den bürgerlichen und politischen Tugenden des jetzt regierenden Königs einen um so dringendern Impuls zu unerschütterlichem Festhalten an der bei meinem Eintritte in den Staatsdienst auch dem Landesfürsten angelobten Treue und Ergebenheit jederzeit erblickt habe.

Dem allen nach konnten die von der Volkspartei für Dresden vorgeschlagenen oder durch sich selbst in Wahlmanifesten empfohlenen Kandidaten zur Frankfurter Nationalversammlung, wozu unter andern der Professor Wigard[1] und der Advokat Blöde[2] gehörten, – beide im Besitz des größten Anhangs bei ihren Parteigenossen und der extremsten radikalen Richtung zugethan – nicht geeignet sein, mir Vertrauen in ihre Mitwirkung zu Erreichung desjenigen Zieles einzuflößen, das ich als das heilsamste erkannt hatte.

Kaum erhielt ich daher Nachricht davon, daß ich in Neustadt mit zum Wahlmanne behufs jenes Wahlaktes ernannt worden sei, als ich beschloß, der Wahl Blödes, welcher eben für Neustadt die entschiedenste Aussicht eines günstigen Wahlsuccesses hatte, mit allen Kräften entgegenzuarbeiten.

Auf die bei dem Ausschusse des Deutschen Vereins gehaltene Anfrage, ob bereits dort in dieser Angelegenheit etwas beschlossen worden? wurde mir die Antwort, daß man auf diesen Umstand noch nicht zugekommen sei. Gleichwohl drängte die Zeit, und ich war daher schnell mit mir darüber einig, daß ich es nunmehr allein versuchen müsse, eine so unheilvolle Wahl, wofür ich die des Advokat Blöde nach meiner innigsten Ueberzeugung hielt, abzuwenden.

Ich theilte den zu dem Ende gefaßten Plan zweien meiner intimsten Freunde, Schönrock und Hughes[3], mit und begab mich am andern Morgen, einem Sonntage, zu Fuße nach Moritzburg, zum hiesigen Neustädter Wahlbezirke gehörig. – Dort verwies mich der Justizbeamte Qvenzel, den ich von Borna her kannte, an den Aktuar Buchner. Mit letzterem hatte ich jedoch beinahe 3 Stunden lang zu verhandeln, ehe ich ihn von der Lauterkeit und der freisinnigen Richtung meiner politischen Gesinnungen überzeugte. Es kam namentlich darauf an, einen Mann für die Wahl ausfindig zu machen, der der dortigen Amtslandschaft hinsichtlich seiner politischen Richtung und übrigens als Mensch bekannt war, indem nach Buchners Versicherung die Landleute ein in diesen Beziehungen ihnen fremdes Individuum keinesfalls in Betracht ziehen würden. Ich schlug ihm den Justizamtmann Hensel in Kamenz vor, der auf einem der früheren konstitutionellen Landtage Mitglied der zweiten Kammer und Sekretär der letzteren gewesen war, einen Mann von aufgeklärten Ansichten und von anerkannter Ehrenhaftigkeit. Buchner fand ihn annehmbar und versprach mir seine Empfehlung bei den übrigen Wahlmännern, zu denen er, Buchner, selbst mit gehörte. Nachdem ich ihm noch, um Gegenbestrebungen der andern Partei zu vermeiden, das tiefste Schweigen auferlegt hatte, begab ich mich ebenfalls zu Fuße nach Radeberg, dessen Bezirk gleichergestalt nach Dresden gehörte. Hier fand ich bei dem Justizbeamten Biedermann nicht geringere Schwierigkeiten, und erst nachdem es mir gelungen war, auch bei ihm Vertrauen zu finden, nannte er mir nicht nur die Namen der dort gewählten Wahlmänner, sondern versprach mir auch seine wenigstens mittelbare Intercession zu Gunsten Hensels, den er übrigens nicht weniger als eine in dasiger Gegend anerkannte persona grata bezeichnete. Stillschweigen wurde von ihm unbedingt zugesichert.

Am nächstfolgenden Tage verfügte ich mich, wegen des in den Dresdner Wahlbezirk ebenfalls hereingezogenen Theils des Amtes Dresden auf dem oberen rechten Elbufer, zu einem der dasigen Wahlmänner Namens Preißler auf dem Weißen Hirsche. Derselbe gelobte mir unter gleichen Bedingungen seine Fürsprache für den Amtmann Hensel bei den übrigen Wahlmännern an, wozu sich eine Zusammenkunft des ökonomischen Vereins auf dem Pohrsberge am Tage vor der Wahl als passende Gelegenheit darbot.

Der Wahltag erschien. Kein einziger der auswärtigen Wahlmänner sprach verabredetermaßen weder überhaupt über den Amtmann Hensel – ebenfalls als Wahlmann mit zugegen – noch insbesondere eine Silbe mit mir. Im Gartensalon des sogenannten polnischen Brauhauses auf hiesiger Meißner Gasse wurde eine Vorberathung sämmtlicher Wahlmänner, 94 an der Zahl, abgehalten. Hier war es, wo der Wahlmann von Trützschler[4], der inzwischen seine hochverräthischen Unternehmungen in Baden mit dem Tode durch standrechtliches Erschießen gebüßt hat, seinen Freund und Gesinnungsgenossen Blöde auf das Eindringlichste zur Wahl anempfahl. Als hierauf tiefes Stillschweigen erfolgte, blieb mir nichts weiter übrig, als das Wort offen gegen Blöden zu ergreifen. Ich schilderte die Eigenschaften des Mannes, welchem ich im Sinne meiner Wähler, denen, wie ich voraussetzen dürfe, meine politische Richtung bekannt sei, meine


  1. Franz Wigard, damals Vorstand des K. stenographischen Instituts, später Dr. med. und unbesoldeter Stadtrath, gest. 1885.
  2. Gustav Blöde, wie Wigard Abgeordneter zum Frankfurter Vorparlament, 1849 Stadtverordneten-Vorsteher.
  3. Weinhändler Heinrich Schönrock und Professor Georg Hughes.
  4. Adolf von Trützschler, damals Hilfsarbeiter beim Dresdner Appellationsgericht, nachher einer der Führer des badischen Aufstandes, in Mannheim standrechtlich erschossen am 14. August 1849.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/184&oldid=- (Version vom 10.8.2024)