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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Zweiter Band.pdf/281

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feierlichem Leichengepränge, bei dem auch der Hof sich vertreten ließ, auf dem Frauenkirchhof begraben. Die sehr stattliche Leichenpredigt hielt der Superintendent Buläus. Brehme war wenig über 54 Jahre alt geworden.

Wenn wir nur in der Kürze den Dichter in Brehme betrachten wollen, müssen wir vorher erst einen Blick auf die literarische Eigenart des Zeitraums, in dem er lebte und dichtete, werfen. Das wiedererweckte klassische Alterthum streute fruchtbaren Samen in das Schriftthum aller Kulturvölker aus. Wo er auf einen mit frischkräftigem gesundem Volksthum bestellten Boden fiel, da mischte er der aufgehenden Saat veredelnde Stoffe bei und erzeugte eine schöne Blüthe. In Deutschland waren günstige Bedingungen für diese Entwickelung vorhanden. Der Geist der Reformation wehte wie ein erfrischender und belebender Wind durch das ganze Volk. Dazu schuf der volksthümliche Genius Luthers durch seine deutsche Bibel eine einheitliche Schriftsprache. Aber diese günstige Entwickelung wurde allzubald durch feindselige Gewalten unterbrochen und erstickt. Das habsburgisch-spanische Kaiserthum hemmte die Reformation, die geboren war aus dem deutschen Volksgeist, den es nicht verstand, und führte so die unselige Spaltung des Landes in zwei feindselige Glaubenshälften herbei. Und nun erhoben auch die Gegensätze im Innern des Protestantismus ihr Haupt immer gewaltiger und arteten gegen Ende des so herrlich angefangenen Jahrhunderts in wüste theologische Zänkereien aus, die das Zeitalter vergifteten. Das Maß des Unglücks füllte endlich der dreißigjährige Krieg. In dem derart entkräfteten Boden konnte der Samen der Renaissance nicht Wurzel fassen. Künstlich gezüchtet von der Gelehrtenzunft, die dadurch sich immer mehr dem Volke entfremdete, wuchs er empor, ein fremder Treibhausbaum, und seine Frucht war eine hochentwickelte neulateinische Poesie. Und auf der anderen Seite schoß die Volksdichtung, die nie ganz einging, wild ins Kraut, wüst, roh und ungepflegt, da die Gebildeten ihr fern standen. Das einzige Gebiet, auf dem Volk und Gelehrte sich näherten, war das geistliche, in diesem von religiöser Theilnahme ganz erfüllten Zeitalter. Daher gelangte auch das geistliche Lied zu solcher Blüthe. Sonst aber waren am Anfang des 17. Jahrhunderts Volksdichtung und Gelehrtendichtung Gegensätze, zwischen denen es nun galt, eine Brücke zu bauen. Und wirklich fingen jetzt die gebildeten Stände an, sich auf ihr Volksthum zu besinnen. Es thaten sich die bekannten Sprachgesellschaften auf, die es sich zur Pflicht machten, die verlassene deutsche Sprache zu pflegen und zu reinigen. Und ein einzelner vollbrachte die wahrhaft nationale That, ein Zeichen aufzustecken zur Begründung einer deutschen Dichtung neben der lateinischen und ein festes Richtmaß aufzustellen zu ihrer Ausübung: Martin Opitz mit seinem „Buch von der deutschen Poeterei“, das 1624 erschien. Die dort aufgestellten Grundsätze haben weitgehende Beachtung erlangt. Freilich war das Opitzische Unternehmen nur ein äußerer, wenn auch glücklicher und nothwendiger Anfang, an den sich vorerst eine innere Fortentwickelung noch nicht anschloß. Die gelehrten Dichter setzten einfach das, was sie bisher in lateinischer Sprache getrieben, in deutscher fort: es kam ihnen nicht der Gedanke, nun auch mit ihrem Inhalt in die Volksseele hinabzugreifen. Opitz selbst spricht es aus, daß er es „für eine verlorene Arbeit halte, im Fall sich jemand an unsere deutsche Poeterey machen wolte, der .... in den griechischen und lateinischen Büchern nicht wol durchtrieben ist und von ihnen den rechten Grieff erlernet hat“. Also im deutschen Gewand ein fremder Inhalt, aus der Antike und mehr noch aus der Renaissance des Auslandes in sklavischer Nachahmung entlehnt. Denn nicht eigentlich der Geist der Antike zog ein, sondern mehr nur ihre Form. Der schwülstige Schmuck der griechisch-römischen Mythologie verhüllte alle Natur. Und das gezierte unechte Schäferwesen, in seinem Ursprung auf Petrarca zurückgehend, der wieder an die bukolische Poesie Virgils anknüpfte, machte sich breit auf Kosten wahrhaft echter Volksthümlichkeit. Eine solche Kunst konnte nicht Fuß im Volke fassen. So klagte Opitz über die Verachtung des Poetenstandes mit den drastischen Worten: „Wenn sie einen gar verächtlich halten wollen, so nennen sie ihn einen Poeten“ und schiebt die Schuld des verrotteten Zustandes der Poesie, den er zugiebt, in flachdenkender Weise Ursache und Wirkung verwechselnd, denen in die Schuhe, „welche mit ihrem ungestümen ersuchen auff alles, was sie thun und vorhaben, Verse fordern ... denn ein Poete kan nicht schreiben wen er wil, sondern wen er kan“. Eine Fluth der Gelegenheitspoesie überschwemmte den Boden der Literatur, eben weil die Dichtweise rein äußerlich war und fast nur bloße Geschicklichkeit der Handhabung des Rhythmus, des Reimes und des Wortschmucks. Die äußerliche Geschicklichkeit aber war damals weitaus nicht so verbreitet wie in unserer Zeit mit ihrer ‚ausgebildeten Sprache‘ und ihrem reichen Schatze der Dichtung. Wem damals Verse gelangen, der hielt sich selbst und wurde leicht auch von andern für einen Dichter gehalten. Jene wahre Gelegenheitsdichtung aber, die jede echte Lyrik ist, insofern sie statt nur an äußerliche Anlässe an seelische Bewegungen und Erlebnisse anknüpft, war jenen außer Zusammenhang mit der Volksseele lebenden und nicht aus ihrem Innern heraus schöpfenden gelehrten Dichtern nahezu ganz fremd. „Die lyrische Kunstpoesie ist nicht der Niederschlag des Seelenlebens der Autoren, nicht die Versinnlichung ihrer geistigen Eindrücke ... Ihr

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 277. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/281&oldid=- (Version vom 25.8.2024)