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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Zweiter Band.pdf/288

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Dem „gar zu klugen Leser“, dem Kritiker, ruft er zu:

„Ich kann ja nicht dafür, daß ich nicht klüger bin;
Was mir an Klugheit fehlt, ersetzet Euer Sinn,
Was ich zu albern bin, das seid Ihr gar zu klug:
So sind wir beide gleich zu Narren groß genug.“

Körperliche Eigenschaften spielt er gern aufs geistige und sittliche Gebiet über. Von einem Kahlköpfigen sagt er:

„Kahl am Kopfe ging noch hin,
Wenn nur nicht auch kahl der Sinn.“

Dagegen von einem, der große Ohren hat und kleinen Mund:

„Die meisten schwüren drauf, ich seh ein’ Esel gleich –
Ich aber nicht also, ich sag: an Ohren reich!
Denn wohl steht dies dem Menschen an,
Daß er mehr hören als reden kann.“

Prächtige Worte legt er einem „alten Deutschen“ in den Mund, noch einem von altem Schrot und Korn:

„Keines Fensters ich bedarf: der Mund ist selbst die Thür,
Wo man ins treue Herz kann redlich sehen mir;
Die Hand ist mir so gut als Siegel und Petschier
Und wem ich geb ein Wort, der trau mir Geld dafür.“

Mit Aufschriften wendet er sich auch an Begriffe, die es ihn zu bestimmen reizt: „An die Tugend.“

„Die Tugend ist ein Ding, das Niemand kann entbehren:
Der Jugend ist sie noth, dem Alter gar bequem,
Der Reiche ziert sich und erwirbt sich damit Ehren,
Dem Armen ist sie als ein Trost gar angenehm,
Dem Adel sie je mehr und mehr giebt, vorzuleuchten,
Und wer nicht edel ist, läßt sich drum edel deuchten.“

Solche Aufschriften begleiten auch oft Geschenke oder sie enthalten dankende Antworten auf Geschenke. Stammbuchverse, die Freundschaft preisend, sind gleichfalls oft epigrammatisch gewendet, wie der folgende:

„Freundschaft gegenwärtig halten
Ist nicht schwer – das Fernesein
Ist der rechte Probestein,
Ob sie bei uns kann erkalten.“

Also fast ausschließlich Gegenstände des privaten Lebens auf sittlichem Gebiete. Gegen Mißstände des öffentlichen Lebens hat er die Spitze des Epigramms nicht gewendet, wie so glücklich Friedrich von Logau. Unter diesen kleinen epigrammartigen Gedichten hat Brehme auch einzelne als Uebersetzungen aus dem Lateinischen oder Italienischen bezeichnet. Ob mit diesen wenigen ausdrücklich als Uebersetzung eingestandenen Kleinigkeiten die Zahl der Entlehnungen erschöpft ist, mag dahingestellt bleiben. Thatsache ist, daß diese Dichter viel aus fremden Literaturen geschöpft haben. Daß dies auch von Brehme noch in ausgedehnterem Maße über die ausdrücklich bezeichneten Sächlein hinaus geschehen ist, darauf scheint eine Stelle in dem Nachwort zu seinen Lustigen und Traurigen Gedichten hinzudeuten: „Ich trage jetzund noch in Vergleichung einer Biene die vielfältig gelehrtere Blumenkraft zu Hause, meinen übel schmeckenden Honig damit zu versüßen. So ich aber bei klügerem Alter mein eigenes zu legen weiß, wird sich der Wohlgeschmack an sich selbst geben.“ Unter den als Uebersetzungen bezeichneten Sachen verdient ganz besondere Hervorhebung eine Stelle aus Dante; Brehme erscheint damit als der erste Deutsche, der aus innerem Antrieb Dante übersetzt hat; die betreffende Stelle ist nur von geringem Umfang: sie hat ihm wegen ihrer kirchlichen Rechtgläubigkeit offenbar ganz besonders gefallen und ihn zum Uebersetzen gereizt. Der Anfang lautet:

„Der ist ein Thor, der seinem Sinn vertrauet
Und auf Vernunft so große Stücken bauet,
Zu gründen aus, was jenes Wesen sei,
Da drei ist eins und ein Einfaches drei.“

Seine geistlichen Gedichte bilden, wenn man sie aus allen seinen Schriften zusammennimmt, eine ziemlich stattliche Sammlung. Darunter befinden sich auch etliche ganz freie Umdichtungen aus dem alten Lobwasser, der seine Psalmen sklavisch aus dem französischen Original übersetzt hat. Manchmal hat Brehme in sonderbarer Weise Irdisches mit Himmlischem vermischt, wie er z. B. das Doppelthema behandelt, „daß man Gott und eine Dame lieben soll“. Und nicht selten finden wir einen weitschweifigen Wortschwall und leeres Wortgeklingel. Aber in manchen Liedern vernimmt man auch den Ton einer tief innerlichen Religiosität. In einem Morgenliede singt er mit glücklicher Einfachheit:

„Mit Dir bin ich erwachet,
Denn ich denk oft an Dich,
Eh noch die Sonne lachet.
Mein Herze freuet sich ...
Regiere meine Hände
Und leite den Verstand,
Daß ich heut nichts vollende,
Was böse sei genannt.“

Und ein Abendlied schließt mit der Bitte:

„Laß Deine Wacht, der Engel starkes Volk,
Wohl um mich sein, wie eine feste Wolk’!
Wie auf ein Schloß ist meine Zuversicht,
Gott, meine Burg, auf Dich allein gericht’.
Verwahre mir auch den verschlafenen Sinn,
Daß träumend ich nicht etwa sündlich bin.
Erwecke mich zu rechter früher Stund,
Daß auf den Tag Dir danke, Gott, mein Mund.“

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 284. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/288&oldid=- (Version vom 25.8.2024)