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Tanzende Tempelmädchen.

Achtes Kapitel.
Beim Brahmanen.

Etwa achtzig Kilometer westwärts von Madras, in Kondscheweram[WS 1], einem der sieben heiligsten Wallfahrtsplätze Indiens, hatte ich das Glück, einen Brahmanen in höherer Beamtenstellung kennen zu lernen, der die Freundlichkeit besaß, mich nach und nach über allerlei mir bis dahin rätselhafte Erscheinungen des Brahminentums aufzuklären.

Dies Kondscheweram mußte, gerade weil ich es unmittelbar nach Mahawalipur besuchte, einen überaus wirksamen lebendigen Gegensatz zu dem dortigen versteinerten Alt-Indien bilden.

Man braucht kein Architekt zu sein, um bei dem Betrachten der drawidischen Tempelanlagen immer neue, wenn auch oft nur kleinliche Baueigentümlichkeiten zu entdecken. Jedenfalls bedauere ich es nicht, daß ich mich durch die stehende Redensart vieler Europäer in Indien: „Ach was, ein indischer Tempel sieht aus wie der andere!“ nicht abschrecken ließ, möglichst viele derselben zu besuchen. Es geht dabei wie mit dem Ersteigen von Berggipfeln innerhalb ein und desselben Gebietes: die Aussicht von dem einen Gipfel ähnelt zwar der von einem anderen, ergänzt sie aber doch oft in überraschender Weise. So tritt z. B. wohl nur bei wenigen drawidischen Gopuras die Verwendung jener aus dem buddhistischen Baustil entlehnten länglichen, sargähnlichen Mönchszellen, die als Stilzeichen buddhistischer Felstempel-Friese in

Mawilipuram ausfallen, so rein und deutlich wie in den Gopuras von Kondscheweram zu Tage, und ich stehe nicht an, den dort in neun Stockwerken 200

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Kondscheweram: vergleiche Kanchipuram (früher Conjeevaram)
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/141&oldid=- (Version vom 1.7.2018)