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geben, sich gegenseitig die Speisen in den Mund zu stecken und von denselben Stücken zu genießen.

Am Abend dieses Festtages, der Fulsariya[WS 1] oder Blumenbett heißt, wird das Ruhelager der jungen Leute mit Blumen bestreut, während sie von den weiblichen Verwandten mit Rosenwasser besprengt werden; begreiflicherweise sorgen diese auch hierbei durch ausgelassene Neckereien und scherzhafte Störungen dafür, daß das junge Paar nicht zu der wohlverdienten Ruhe kommt.

Mit Edelsteinen besetzte Bronze-Kanne für Rosenwasser 1/5.

Am nächsten Morgen wird die fortan stets verschleierte kleine Frau in einem Palki zu ihrer Familie zurückgebracht, von der sie mit Fragen über alle neuen Anverwandten, jedoch niemals über ihren Gatten, bestürmt wird; selbstverständlich werden dabei auch die ihr dort geschenkten Schmucksachen einer sehr eingehenden Besichtigung und Schätzung unterzogen, da diese Gegenstände oft ein ansehnliches Mitgiftsvermögen bedeuten. Bereits am folgenden Tage pflegt die kleine Frau wiederum einen Besuch im Hause ihrer Schwiegereltern abzustatten und dort abermals eine Nacht zu verbringen, und diese Besuche müssen so lange ab und zu wiederholt werden, bis das junge Paar völlig herangewachsen ist, falls nicht schon vorher eine völlige Übersiedelung erfolgt.

Bei der zweiten, tatsächlichen Vermählung werden die bei der ersten vollzogenen Opfer und Gebräuche wiederholt, jedoch mit einigen Änderungen; so läßt z. B. der Gatte dabei einen goldenen Ring in das Gewand seiner Gemahlin gleiten, während diese von dem Hausbrahmanen mit Milch, Zucker und zerlassener Butter gespeist wird, wobei zwanzig männliche und eine weibliche aus Reismehl geformte Gottheitsfiguren vor ihr aufgestellt sind, die dann für immer in ihrem Schlafgemach untergebracht werden.

Nur wirklich vornehme Familien können die ungeheueren Kosten einer Hochzeit großen Stils erschwingen, und nur selten gleicht eine Hinduhochzeit völlig einer anderen. Selbst in den einzelnen Provinzen herrschen keine durchgehends gleichen Formen bei der Vermählung. In der Radschputana z. B. genügt ein dreimaliges Umschreiten des Feuers durch den Gatten, ein einmaliges von seiten der Braut, um die Ehe als geschlossen zu betrachten; bei den Puschkarna-Radschputen ist es jedoch nötig, daß dies viermal allein und darauf viermal Arm in Arm geschieht, während die Mahesris wiederum der Sitte folgen, daß die Braut siebenmal von einem Oheim um ihren neben dem Feuer stehenden Bräutigam herumgetragen wird. Bei den Sirimali-Radschputen[WS 2] hingegen umschreiten Braut und Bräutigam das Feuer zuerst in

möglichst armseligem Gewande, dann ziehen sie sich zurück, um Festkleider anzulegen,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Fulsariya: heute auch Phul Shojja transkribiert
  2. WS: Puschkarna, Mahesris, Sirimali: Verschiedene, teils ortsgebundene Kasten. Pushkarnas und Shrimalis galten als hohe Brahmanen-Kasten, Srimals und Maheshri (Maheshwari, vergleiche Maheshwar) als eher niedrige Kasten.
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/284&oldid=- (Version vom 1.7.2018)