Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen | |
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365. Die Verschlusslaute: Offen. u. geschloss. Kehlkopf. | 141 |
(höchstens ist sie nach Massgabe des zu Schluss von 361 Gesagten
zu einem lockeren Halbschluss verengt), bei den stimmhaften
ist sie zum Tönen eingestellt. So werden einmal alle
stimmhaften Verschlusslaute, wie rom. slav. b, d, g (überhaupt
auch wohl alle Lenes) gebildet, ferner die sog. reinen Tenues
mit offenem Kehlkopf, welche jetzt z. B. bei’ den Slaven
und Romanen im An- und Inlaut allgemein üblich, aber auch
in Deutschland (namentlich im Westen von Norddeutschland,
desgl. in Holland) verbreitet sind. Endlich fallen auch die
Aspiraten hierher, bei denen der Explosion noch ein Hauch
folgt (vgl. 436 ff.).
365. Seltener werden Verschlusslaute mit Kehlkopfverschluss gebildet. Bei diesen wird nach der Bildung des Mundverschlusses die Communication des Mundraums mit den Lungen durch festen Verschluss der Stimmritze abgeschnitten. Die Compression erfolgt dann durch Hebung des Kehlkopfs und Zusammenpressung der Wände des Mundraums. Bei der Explosion verpufft somit nur das geringe Quantum Luft, das bisher im Mundraum eingeschlossen war. Deshalb klingen diese Laute stets sehr kurz und scharf abgestossen; zur Bildung eines nachfolgenden Hauches ist nie Gelegenheit geboten. Wir bezeichnen sie als k͗, t͗, p͗ u.s.w., d.h. als k, t, p mit ʾ, dem Zeichen des Kehlkopfverschlusses (353). — Die Verbreitung dieser Laute scheint gering zu sein. Bisher habe ich sie mit Sicherheit selbst nur im Armenischen in der Aussprache von Tiflis und Erzerum und im Georgischen beobachtet, doch gehören vielleicht auch die emphatischen k, t, p der semitischen Sprachen (arab. ق ḳ, ط ṭ, aethiop. p̣, 166) hierher. Bei den armenischen Lauten dieser Art erfolgt die Explosion des Mundund Kehlkopfverschlusses durchaus gleichzeitig, sodass man also nur eine Explosion hört; im Georgischen folgt dagegen die Kehlkopfexplosion der Mundexplosion nach und wird deutlich von dieser gesondert gehört. Uebrigens sind diese Verschlusslaute bisher jedenfalls nur als Fortes beobachtet worden. Dass sie bei vollem Kehlkopfverschluss zugleich stimmlos sind, versteht sich von selbst. Eine Art von stimmhaften Parallelen bilden jedoch vielleicht die stimmhaften emphatischen Verschlusslaute wie arab. ض (ḍ), 166; auf nahe Berührung der beiden Classen weist jedenfalls auch der dialektische Uebergang von arab. ق ḳ in (ursprünglich gepresstes?) g hin; auch das georg. k̓ wird in dieser Weise öfter als gepresstes g gesprochen.
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/161&oldid=- (Version vom 7.6.2022)