Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen | |
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379—381. Combinarıonslehre: Allgemeıneres. | 149 |
Schluss bildenden l schiebt sich eine continuirliche Reihe von
Uebergangsschällen an, die wir in ihrer Gesammtheit als den
Uebergang oder (nach engl. glide) als den (specifischen)
Gleitlaut zwischen Anfangs- und Endstellung bezeichnen.
Da aber die Dauer dieses Uebergangs gegenüber der der Einhaltung
der Anfangs- und Endstellung meist eine verschwindend
geringe ist, so kommen die Gleitlaute in der Regel nicht
zu gesonderter Wahrnehmung. Ist dies dennoch der Fall (was
namentlich eintrifft, wenn die Anfangs- oder Endlaute eine bedeutende
Schwächung, Reduction, erleiden, 504 ff.), so wird
der Gleitlaut entweder als Ausgang des vorangehenden, oder
als Eingang des folgenden Lautes betrachtet. In dem oben
gegebenen Beispiel ist also der Gleitlaut von a zu l sowohl der
Ausgang des a, als der Eingang des l.
379. Auf die ‘Glides’ und ihre ungemeine Wichtigkeit hat zuerst Ellis hingewiesen, vgl. dessen Early English Pronunc. I, 51. Unabhängig von ihm hat dann Merkel Beobachtungen über Ein- und Absätze’ der Vocale angestellt (dieser Name rührt von ihm her, s. Schmidt’s Jahrb. C, 86). Man unterscheide genau die Ausdrücke Einsatz und Eingang, Absatz und Ausgang. Einsatz und Absatz, bei den Engländern initial und final glide, beziehen sich auf Laute, die nach vorn oder hinten isolirt sind; Ein- und Ausgang (englisch on-glide und off-glide) aber bilden den Uebergang zweier Nachbarlaute.
380. Hieran haben sich sodann zu schliessen Erwägungen über die Veränderungen, welche Laute selbst, nicht nur ihre Ein- oder Ausgänge, beim Zusammentreffen mit andern erfahren (Palatalisirung, Velarisirung, Rundung, laterale und faucale Explosion und dergleichen). Anhangsweise sind endlich in Cap. 24 eine Reihe von Erscheinungen zusammenfasst, die ich mit dem Namen der Reductionen belege.
381. Von da aufsteigend wird demnächst die Bildung der Silben zu erörtern sein. Es gilt dabei, die Bedingungen zu ermitteln, unter denen überhaupt Sprachlaute zu einer Silbe zusammentreten können und deren Verhältniss zu einander zu untersuchen. Daran wird sich endlich die Lehre von Accent und Quantität (Cap. 28 ff.) zu schliessen haben.
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/169&oldid=- (Version vom 7.6.2022)