Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen | |
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400. Ein- und Absätze der Verschlusslaute. | 157 |
Exspiration bei offenem Kehlkopf erst nach der Einstellung des
Ansatzrohrs in die specifische Articulationstellung beginnt, der
leise Absatz, wo sie während der Dauer jener Einstellung erlischt.
Die Herstellung eines gehauchten Einsatzes würde
absichtliche Verzögerung, die des gehauchten Absatzes absichtlich
beschleunigte Aufhebung der Mundeinstellung verlangen:
Grund genug dafür, dass dieselben in der Regel nichtangewandt
werden. Bei der Combination mit folgendem Vocal, welche
Fortdauer des Druckstroms und zugleich Aufgebung der specifischen
Mundarticulation fordert, kommt jedoch z. B. der Fall
nicht gerade selten vor, dass man tsʿa, pfʿa, kxʿa statt des gewöhnlichen
tsa, pfa, kxa spricht (d. h. zwischen dem Erlöschen
des specifischen Reibungsgeräusches des s, f, x und dem Eintritt
der Stimme liegt noch ein deutlicher Hauch); ähnlich entsteht
ein sʿ, šʿ, fʿ u.dgl. durch Composition in Fällen wie das heisst,
rasch hin, aufheben. Ebenso scheint der feste Absatz nur bei
der Combination mit Vocalen mit festem Einsatz vorzukommen
(in Verbindungen wie esʾ ist, aufʾ einem, dochʾ er, mit prononcirtem
festen Vocaleinsatz). Festen Einsatz im isolirten Anlaut
henne ich nur in dem aus ʾes verkürzten ʾs (ʾsʿ at = es hat) und
ähnlichen Fällen. Bei rascher Rede fallen übrigens, namentlich
in unaccentuirten Silben, auch diese Unterschiede fast alle
fort; man spricht also die letzten Beispiele wie dasaist, rašin,
aufē(b)m, sat u. s. f.
400. Ueber den Einsatz anlautender Verschlusslaute ist kaum etwas Wesentlicheres zu bemerken. Bei den stimmlosen Verschlusslauten besteht er einfach in der völligen Absperrung von Mund- und Nasencanal, und zwar geschieht diese durchaus, ehe der zur Lautbildung bestimmte Druckstrom beginnt. Bei den stimmhaften Verschlusslauten folgt hierauf das Eintreiben des stimmhaften Druckstroms in die Mundhöhle, also die Bildung des sog. Blählauts (oben 357), dessen Einsätze wieder alle die bei den Vocalen auftretenden sein können. Doch kommt gewöhnlich nur der leise, seltener der feste Einsatz vor. Der Act des Verschlusses ist selbst völlig geräuschlos. Es ist also auch z. B. vollkommen gleichgültig, ob bei der Bildung einer Silbe wie pa, ba die Lippen bereits vorher (wie gewöhnlich beim Athmen durch die Nase) verschlossen sind oder ob erst zum Behuf desSprechens der Verschluss hergestellt wird.
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 157. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/177&oldid=- (Version vom 9.6.2022)