Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen | |
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238 | 638—641. Die Abstufung innerhalb der Sprechtakte. |
des Takts, oder sagt, dass sie betont sei, den Ton oder den
Accent schlechthin habe; die andern Silben nennt man dann,
je nach dem Grade ihrer Stärke, unbetont (tonlos) oder
nebentonig (vgl. 641). Mit Rücksicht darauf aber, dass die
Hervorhebung der ‘Tonsilbe’ hier speciell auf einer Verstärkung
des Exspirationsdrucks beruht, spricht man auch hier besser
speciell vom exspiratorischen oder dynamischen Accent
(emphasis Ellis, stress Sweet).
638. Die Abstufung der Silbenstärke innerhalb des Takts hat mit der absoluten Stärke (Lautheit) der einzelnen Silben nichts zu schaffen. Für die Abstufung der beiden Silben des Taktes habe ist es z. B. gleichgültig, ob der ganze Takt lauter oder leiser gesprochen wird, denn mit zunehmender Stärke der ersten Silbe wächst auch die Stärke der zweiten, und umgekehrt beim Abnehmen: das relative Verhältniss, auf das es hier allein ankommt, bleibt dasselbe.
639. Für die nähere Charakteristik eines Sprechtakts in exspiratorisch-dynamischer Hinsicht kommt namentlich Folgendes in Betracht:
640. Der Stärkeabstand der starken Silben von den schwächern. Dieser kann ein sehr verschiedener sein. Im Deutschen ist er z.B. ein sehr grosser, und so pflegt er es überhaupt gern in solchen Sprachen zu sein, welche vorwiegend nur dynamischen Accent haben, d.h. eben die einzelnen Silben des Taktes oder Satzes vorwiegend nur nach ihrer Stärke abstufen. In andern Sprachen, wie den romanischen, den slavischen, dem Schwedischen ete., ist der Stärkeunterschied geringer, sodass die schwachen Silben jener Sprachen von den Deutschen meist als halbstark oder einen Nebenaccent tragend empfunden werden (vgl. 643).
641. Die Anzahl der entwickelten Stärkestufen. Es gibt nicht nur eine zweifache Abstufung der Silbenstärke — starke und schwache Silben —, sondern es sind sehr häufig Mittelstufen entwickelt. In einem Takt wie redete sind die beiden Schlusssilben schwächer als die erste, zugleich aber ist die letzte etwas stärker als die zweite, und man pflegt daher zu sagen, dass sie einen (exspiratorischen oder dynamischen) Nebenaccent trage. Einfacher ist es, direct starke, mittelstarke (oder halbstarke) und schwache Silben zu unterscheiden. Zur Bezeichnung verwenden wir im Anschluss an den Gebrauch der englischen Phonetiker ‘ nach dem Sonanten
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 238. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/258&oldid=- (Version vom 6.7.2023)