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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

78 202. 203. Sonore und Geräuschlaute.


indogermanische Lautgeschichte die Eintheilung der Sprachlaute in (ursprüngliche) Sonore und Geräuschlaute von grösster Wichtigkeit, und ebenso spielt dieser Unterschied in der Lehre von der Silbenbildung eine grosse Rolle.

202. Im Sanskrit wirken z. B. die Sonorlaute beim Sandhi in ganz anderer Weise ein als die Geräuschlaute (Whitney, Ind. Gramm. § 117). Ferner konnten in der indogermanischen Grundsprache alle Sonorlaute als Sonanten fungiren, die Geräuschlaute dagegen nur als Consonanten (vgl. namentlich K. Brugmann, Nasalis sonans in der indogermanischen Grundsprache, in Curtius’ Studien IX, 287 ff., und überhaupt die neueren Untersuchungen über indogermanischen Vocalismus).

203. Von diesen Erwägungen ausgehend, stellen wir bei der folgenden Besprechung der Einzellaute diejenigen Gruppen voraus, welche für die älteren indogermanischen Sprachen als normaler Weise sonor gebildet anzusetzen sind. Es sind dies die sogenannten Vocale einschliesslich ihrer unsilbischen Formen (der sog. Halbvocale, 422), die Liquidae (d. h. die r- und l-Laute) und die Nasale. Die nasalirten Vocale und Liquidae, welche im Indogermanischen stets aus nicht nasalirten durch den Einfluss benachbarter Nasale hervorgegangen sind, werden dabei als Anhänge zu den nichtnasalirten Vocalen und Liquiden behandelt. Auf die Besprechung dieser ursprünglichen indogermanischen Sonorlaute lassen wir sodann die Erörterung der ursprünglichen Geräuschlaute, d.h. der Spiranten und der Verschlusslaute nach der herkömmlichen Bezeichnung folgen. Die Processe, durch welche Laute der einen Gruppe in die der andern übertreten, also Sonorlaute sich in Geräuschlaute wandeln und umgekehrt, werden dann an einer spätern Stelle ihre Besprechung finden (s. namentlich Cap. 24), soweit nicht schon bei der Besprechung der Einzellaute darauf Rücksicht zu nehmen ist.

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/98&oldid=- (Version vom 23.5.2022)