Gestatten Sie mir über eine Krise zu sprechen, die gegenwärtig eine fundamentale Hypothese der Physik — die Ätherhypothese — schwer bedroht. Diese Krise gibt, wie mir scheint, ein lebendiges Bild von der eigentümlich revolutionären Stimmung, die augenblicklich die theoretische Physik beherrscht.
Um anschaulich sprechen zu können, will ich von einem fiktiven Experiment ausgehen, das ich weiterhin immer kurz „Kugelexperiment“ nennen werde. Dieses fiktive Experiment ist so gewählt, daß die Züge, auf die es uns ankommt, möglichst grell hervortreten.
Entschuldigen Sie bitte, wenn eben deshalb unsere Konstruktion etwas phantastisch ausfällt.
Nehmen wir also an, wir hätten eine riesige Hohlkugel vor uns. Viel größer als die Erde, viel größer als die Erdbahn. So groß, daß ein Lichtstrahl zirka zwei Stunden brauchen würde, um sie quer zu durchlaufen. Genau im Mittelpunkt der Hohlkugel sitze ein Experimentator. Die Kugel soll ruhig vor uns liegen. Der Experimentator möge folgendes Experiment machen: er läßt eine sehr helle Lampe einen Augenblick lang aufleuchten und wartet, was er nun weiter sieht. Zunächst
Paul Ehrenfest: Zur Krise der Lichtäther-Hypothese. Springer, Berlin 1913, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:EhrenfestKrise.djvu/3&oldid=- (Version vom 31.7.2018)