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„Meine Herrschaften, wollen Sie nicht etwas Mundproviant mitnehmen?“ fragte der Kapitän. „Es geht auf Schlitten zwar davon genügend mit, aber es ist doch besser, wenn ein jeder etwas bei der Hand hat!“

„Jawohl, Fourage wird mitgenommen!“ hieß es jetzt allgemein. Diese Idee fand großen Beifall. Wenn Richard dabei aber an Rucksäcke gedacht hatte, in denen man die Lebensmittel auf dem Rücken mit sich schleppte, so irrte er sich. Die Künstler nämlich ließen sich nur zwei dünne Brotscheiben schneiden, schmierten Butter darauf, belegten sie mit Schinken und anderem Aufschnitt. Das war ihr Proviant für einen Marsch durch die Polarregion.

„Wir sind fertig!“ ertönte es endlich in der Runde.

Jetzt fühlte sich Richard doch veranlaßt, den Passagieren den Ernst der Situation, den sie gar nicht begreifen wollten, klar zu machen. Doch es war alles vergeblich. Diese Menschen schienen für etwas Ernstes gar nicht empfänglich zu sein.

„Haben Sie denn gar nichts mitzunehmen? Bedenken Sie doch, das Schiff kann untergehen mit allem, was darauf ist, also auch mit Ihren Sachen!“ mahnte er schließlich.

„Was, so steht die Sache?!“ hieß es da allgemein, und nun erst wurden Rufe des Schreckens laut, es entstand ein wirres Durcheinander, und ein jeder stürzte noch einmal in seine Kabine, um jedoch bald wiederzukehren. Zuerst erschien die Primadonna mit einem Ansichtspostkartenalbum, dann die Ballerina mit einem Bündel Liebesbriefe, hierauf der sentimentale Liebhaber, der aus irgend einem geheimnisvollen Grunde seinen Sommerüberzieher über den Arm gehängt hatte; endlich der Baß, der in jeder Hand eine Flasche Cognak trug, und der Heldentenor, der die Spielkarten eingesteckt hatte, während der Komiker mit seinem Spazierknüppel sichtbar wurde, den er zärtlich in beide Arme nahm – und so hatte jeder nach dem gegriffen, was ihm das Wertvollste auf Erden dünkte. Zu verlieren hatten ja diese Menschen alle nichts, und

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Robert Kraft: Eine Nordpolfahrt. H. G. Münchmeyer, Dresden (1901), Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eine_Nordpolfahrt.pdf/22&oldid=- (Version vom 31.7.2018)