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„Wo ist denn nun der Nordpol?“ fragte die Ballerina zum hundertsten Male.

„Ja, wo ist er nur? Dort, dort – nein, das ist nur ein Schneehaufen. Der Nordpol ist mit einem Gitter umgeben, daß niemand darüber stürzen kann. Grün angestrichen ist’s, ich habe schon einmal eine Photographie davon gesehen.“

So klang es durcheinander.

Jetzt bog man um eine Gletscherwand, und ‚aaah!‘ riefen die ersten, ‚der Nordpol!‘ flüsterten die nächsten, und die hinteren, Richard und die Matrosen nicht ausgeschlossen, drängten sich, um das Wunder zu schauen, vor.

Ein Wunder war es auch wirklich, was es hier zu sehen gab. Dort in dem eisigen Boden war nämlich ein Balken eingerammt worden. Wer hatte das gethan? Wozu war es geschehen? Waren es Schiffbrüchige gewesen? Oder hatten Polarforscher ein wichtiges Signal errichtet, eine Kundgebung hinterlassen?

Doch solche Fragen warfen die Schauspieler jetzt nicht auf; für sie war das eben der Nordpol; und sogleich vernahm man die Ausrufe:

„Der Nordpol!“

„Wir haben ihn erreicht!“

„Wie erhaben! Wie großartig! Mir wird ganz flau zu Mute.“

Und der Baß brummte:

„Das müssen wir feiern.“

Sie gingen nun näher an den alten Holzstumpf heran.

„Vorsichtig, auf den Zehenspitzen, er könnte umfallen,“ neckte der erste, und alle schlichen mit tieffeierlichen Gesichtern hinterdrein und umringten den Holzstamm.

Das war alles so feierlich, daß den Matrosen wirklich das Lachen verging und sie unbewußt selbst mit auf den Zehenspitzen schlichen.

„Großartig! Wie erbärmlich klein kommt sich doch der Mensch hier vor!“ rief einer.

Empfohlene Zitierweise:
Robert Kraft: Eine Nordpolfahrt. H. G. Münchmeyer, Dresden (1901), Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eine_Nordpolfahrt.pdf/28&oldid=- (Version vom 31.7.2018)