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Vor dem Einschlafen hatte Richard Zeit, über seine Erfahrungen nachzudenken.

Er dachte lebhaft an das Tagebuch des amerikanischen Polarforschers Doktor Kane über seine Nordpolexpedition 1852–1855.

Dieser berühmte Gelehrte und Kapitän, der schon manche Expedition geleitet hatte, zeigte bei der Wahl der Mannschaft für seine letzte, große Reise eine ganz besondere Eigentümlichkeit, die damals sehr befremdete. Er sah nämlich den Matrosen weniger auf kräftige, robuste Gestalten, auch nicht auf gute Zeugnisse, ferner brauchten sie noch gar kein Polarmeer gesehen zu haben; noch weniger nahm er Walfischjäger, sondern nur erfahrene und verwegene Männer, und mochten sie auch ein verkommenes und geldgieriges Gesindel sein, aus denen er dann nur die heiteren Naturen und Witzbolde auswählte, die nebenbei auch starke Esser sein mußten.

Mit diesen hat er dreimal hintereinander auf dem 83. Breitengrade bei einer Kälte von 60 Grad überwintert, eine Leistung, die bis heute noch keine andere Polarexpedition hat nachmachen oder aushalten können. Erfroren und sonst verunglückt sind wohl mehrere von seiner Mannschaft, aber kein einziger ist ihm am Skorbut gestorben, und diese Ausdauer, für welche es gar keine Worte giebt, schreibt er allein dem tollen Humor zu, den er an Bord seiner ‚Avanca‘ beständig herrschen ließ. So mußten während der halbjährigen Winternächte Komödien aufgeführt werden, die die Matrosen selbst verfaßten, und auch ein Witzblatt wurde herausgegeben, mit dem Titel ‚der Eisblick‘, für welches die Matrosen Beiträge liefern mußten. Diese geschriebenen Zeitungen liegen noch heute gebunden im New-Yorker Museum für Länderkunde.




Die Eskimos.

Wieder waren nach dem Erwachen am anderen Tage acht Stunden vergangen, und mit der Lustigkeit war es jetzt doch vorbei.

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Robert Kraft: Eine Nordpolfahrt. H. G. Münchmeyer, Dresden (1901), Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eine_Nordpolfahrt.pdf/31&oldid=- (Version vom 31.7.2018)