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war. Allerdings früher, als er noch Schiffsjunge und dann später Leicht- und Vollmatrose gewesen war, da hatten – offen gestanden – derartige Abenteuer, wie er sie voraussichtlich jetzt erleben würde, für ihn noch mehr Reiz gehabt. Dieses jugendliche, für allerhand wunderbare Erlebnisse so empfängliche Alter hatte er eigentlich schon längst hinter sich; jetzt war ihm ein steifes Glas Grog beinahe lieber.

Mit jener Künstlergesellschaft, die in die nördlichen Breiten wollte, hatte es aber folgende Bewandtnis.

Einzig und allein die Laune der schönen Primadonna des Hoftheaters hatte genügt, um das lustige Völkchen zur Ausführung einer so extravaganten Idee zusammenzuführen. Die junge Dame nämlich, in die sich ein in der Residenz lebender vielfacher Millionär, ein kleiner, gutmütiger Mann mit etwas krummen, auswattierten Beinen und einem hohlen, anscheinend mit Stroh ausgepolsterten Kopfe so sterblich verliebt hatte, daß er sie sogar zu heiraten beabsichtigte, hatte es sich, nicht zufrieden mit den ihr verehrten Perlen und Diamanten und einem glänzenden Heim, in dem sie dieses kostbare Geschmeide bergen konnte, in Ermangelung anderer Wünsche ihres übersättigten Herzens partout in dem Kopf gesetzt, auf einem eigenen oder doch gemieteten Dampfer eine der damals üblichen Nordlandsreisen anzutreten.

Da diese nun in der Gesellschaft des langweiligen und simpelen Verehrers zu eintönig geworden wäre, so wurden, da die Ferien vor der Thür standen, sämtliche Mitglieder des Hoftheaters dazu eingeladen, und so war bald eine bunte Gesellschaft zusammengekommen: der Baß, der Baß-Buffo, der erste und zweite Tenor; dann der Held, der sentimentale Liebhaber, der nichtswürdige Intrigant, der im gewöhnlichen Leben immer finstere Komiker und die anderen, die dazu gehörten; dann die weiblichen Mitglieder des Theaters, von der Naiven bis zur Heldenmutter, außerdem noch ein paar Balletteusen. Auch einige andere Künstler schlossen sich an, ein Maler, ein Bildhauer, ein nervöser Virtuos und ein halbverhungerter Dichter.

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Robert Kraft: Eine Nordpolfahrt. H. G. Münchmeyer, Dresden (1901), Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eine_Nordpolfahrt.pdf/4&oldid=- (Version vom 31.7.2018)