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„Nach dem Nordpol!“ Das war bald der einstimmige Ruf.

Natürlich dachte der Kapitän nicht daran, aus der Vergnügungsreise eine Polarexpedition zu machen; er wollte nur noch etwas weiter vordringen, denn die Gelegenheit war wirklich günstig, das Meer war ja ganz eisfrei, und auch der Wind würde nach menschlichem Ermessen konstant bleiben.

„Kapitän, ist es wahr, daß durch den Nordpol die Achse geht, um welche sich die ganze Erde mit allem, was drauf ist, dreht?“ flötete plötzlich die erste Ballerina.

„Jawohl, meine Gnädige, und am Südpol kommt diese Achse wieder heraus.“

„Na, wer schmiert da denn eigentlich die Achse?“ fragte schnell der in der Nähe stehende Bräutigam, der nämlich sein Geld in einer Schmierölfabrik verdient hatte.

„Das thun die dort oben angestellten Eskimos,“ erklärte der Kapitän.

„Ach nee!“ rief die Balletteuse staunend. „Ich wollte es nämlich mit die Achse gar nicht recht glauben, weil ich’s doch gar nicht merke, wie sich die Erde dreht. Mich hat einmal ein Baron erzählt, eigentlich wäre der sogenannte Nordpol nur sozusagen ein großes Loch, und wenn man da hineinfiele, käme man unten am heißen Südpol wieder heraus. Stimmt das?“

„Das ist gar nicht so unmöglich, die Gelehrten sind sich selbst noch nicht ganz einig, ob der Nordpol ein Loch oder eine Achse ist.“

„Ach, da möchte ich einmal jemand hineinwerfen!“ freute sich die Balletteuse. „Aber sagen Sie mal, Herr Kapitän, wenn die Eskimos nun immer das Schmieröl in das Loch gießen –“

„Ich bitte um Entschuldigung, meine Gnädige, nur einen Augenblick, ich werde gerufen, stehe gleich wieder zur Verfügung.“ Aber Richard hütete sich, wieder zur Verfügung zu stehen. Er hatte nämlich in derartigen Sachen mit solchen Passagieren schon seine bitteren Erfahrungen gemacht.

Am Abend zeigte sich ein herrliches Nordlicht. Das

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Robert Kraft: Eine Nordpolfahrt. H. G. Münchmeyer, Dresden (1901), Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eine_Nordpolfahrt.pdf/8&oldid=- (Version vom 31.7.2018)