In imponierender Majestät steht da das neue großartige Gebäude des „deutschen Reichsgerichtes“, des obersten Gerichtshofes des Deutschen Reiches, vor dem Beschauer.
Prachtvolle Bauten sind auch die neuen Museen, die Universität, das berühmte Conservatorium, das neue Gewandhaus; aus alter ehrwürdiger Zeit datiert das Rathaus und andere Häuser seiner Umgebung, die an Nürnberg erinnern.
Prachtvoll ist das Pflaster der Stadt in allen Straßen; man geht wie auf ebener Tischplatte. Der Verkehr ist ein ungemein reger, besonders durch die elektrische Straßenbahnen, welche sich z. B. am Augustusplatze ein paarmal fünfmal durchschneiden. Die Plätze sind von unzähligen Denkmälern geziert, unter denen das neue kolossale Siegesdenkmal mit der Kolossalstatue Wilhelms I., umgeben von den gewaltigen Reiterstatuen des Kronprinzen, nachmaligen Kaisers Friedrich III., des Königs Albert von Sachsen, Bismarcks und Moltkes, wohl den hervorragendsten Platz einnimmt.
Abends lernte ich im Casino der Eisenbahnbeamten die oftgenannte Leipziger „Gose“[ws 1]kennen, ein seltsames Gebräu in noch seltsameren bauchigen Flaschen mit langem Halse. Das fast sauer schmeckende Getränke, das noch in Gährung ist, weshalb auch die ganze Flasche nicht in die hohen Tulpengläser geschänkt werden darf, da am Boden noch die Hefe liegt, wollte mir nicht munden, besonders da mein Magen noch am Morgen heißen Sprudel in sich aufgenommen hatte und sich jetzt gegen dieses Gesäufe, zu dem die Leipziger selbst vorsichtigerweise stets eine Kümmel-Bowle leeren, sträubte. Doch zog ich mich glücklich ohne weiteren Nachtheil aus der Affaire, ein Beweis, daß die Quellen von Karlsbad meinen Magen gründlich hergestellt hatten.
Am nächsten Morgen besuchte ich das Schlachtenpanorama, in welchem die ‚Völkerschlacht von Leipzig‘ in einem Kolossal-Rundgemälde zur Ansicht gebracht wird; sodann die Gemäldegallerie im neuen Museum am Augustusplatze, in welchem u. a. eine Madonna von Murillo zu sehen ist, ferner das neue Grassémuseum am Königsplatze, in welchem eine culturelle Ausstellung geboten wird. Die ausgestellten Sammlungen aus Japan, China, den deutschafrikanischen Colonien, aber auch aus dem Indianerleben Nordamerikas, aus Mexiko, den Staaten Südamerikas, aus Grönland, Feuerland u. s. w. sind ungemein reichhaltig und interessant.
Nach flüchtigem Mittagmahle im Hotel wurde ich von meinen Volapükfreunden, mit denen ich abends bereits über unsere Angelegenheit conferiert hatte, abgeholt und nun ging’s in die Ausstellung Sachsens und Thüringens.
Anmerkungen (Wikisource)
Cz: Eine Volapüktour. Gebrüder Schencker, Staßfurt 1898, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eine_Volap%C3%BCktour.djvu/4&oldid=- (Version vom 31.7.2018)