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Johann Wolfgang von Goethe: Elegien. In: Die Horen, 2. Bd., 6. St., S. 1-44

Lauter sprach sie, als hier die Römerinn pfleget, credenzte,
     Blickte rükwärts nach mir, goß und verfehlte das Glas,

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Wein floß über den Tisch und sie, mit zierlichem Finger,

     Zog auf dem hölzernen Blatt Kreise der Feuchtigkeit hin.
Meinen Nahmen verschlang sie mit ihrem, immer begierig
     Immer dem Fingerchen nach und sie bemerkte mich wohl.
Endlich zog sie behende das Zeichen der römischen Fünfe

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     Und ein Strichlein davor; schnell und sobald ichs gesehn

Schlang sie Kreise durch Kreise, die Lettern und Ziffern zu löschen,
     Aber die köstliche Vier blieb mir ins Auge geprägt.
Stumm war ich sitzen geblieben und biß die glühende Lippe
     Halb aus Schalkheit und Lust, halb aus Begierde mir wund.

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Noch so lange bis Nacht! dann noch vier Stunden zu warten!

     Hohe Sonne du weilst und du beschauest dein Rom!

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Elegien. In: Die Horen, 2. Bd., 6. St., S. 1-44. Cotta, Tübingen 1795, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Elegien_(Goethe).djvu/30&oldid=- (Version vom 31.7.2018)