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Stimme ihn, wie er sagte, sehr an die seiner verehrten Freundin Madame Viardot erinnerte.

Ein Hund bellt!

Zur Zeit meines ersten Aufenthalts in Baden-Baden im Jahre 1869 waren gegen 30 andere Schülerinnen aus aller Herren Ländern um Madame Viardot versammelt, darunter auch Anna v. Asten, die spätere Gesangsprofessorin, und deren Schwester Julie, die Pianistin, welche ich von Wien aus kannte. Die beiden Schwestern waren so liebenswürdig gewesen, mir in Lichtenthal, einem anmutigen Dorfe bei Baden, eine Wohnung zu verschaffen, was mir sehr lieb war, da Lichtenthal ruhig und ländlich, Baden aber damals noch „Klein-Paris“ und der Sammelpunkt der elegantesten Welt war.

In Lichtenthal besaß Klara Schumann eine reizende kleine Villa, die sie mit ihren Kindern bewohnte, und auch der junge Brahms brachte den Sommer in dem lieblichen Tale zu. Astens waren mit beiden befreundet, und als eines Tages beraten wurde, welche Ueberraschung wir Schülerinnen der Madame Viardot zu ihrem Geburtstage (18. Juli) machen sollten, schlugen Astens vor, Frauenchöre von Schumann und Brahms zu studieren und der Meisterin damit ein Ständchen zu bringen. Julie v. Asten und Brahms unterzogen sich der Mühe, uns vier Chöre einzupauken, was mit den ungeschulten Chorsängerinnen und bei der damals herrschenden Hitze keine Kleinigkeit war. Es ging aber schließlich alles ganz gut.

Da Madame Viardot gewöhnlich sehr früh aufstand – um 7 Uhr inspizierte sie, im Freien Tonleitern singend, meistens schon Garten und Hühnerhof, um 8 Uhr gab sie die erste Gesangsstunde – so war unser Geburtstagsprogramm folgendes: Um 6 Uhr früh unsere beim Gärtner vorher bestellten Bouquets abholen, in corpore zur Villa Viardot hinaufziehen, um 7 Uhr da die Chöre absingen, dann alle zusammen auf der Molkenkur, einem nahen Kaffeehause, frühstücken.

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Marianne Brandt: Erinnerungen an Pauline Viardot. Neue Freie Presse, Wien 1910, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erinnerungen_an_Pauline_Viardot.pdf/3&oldid=- (Version vom 31.7.2018)