deine bitteren Gefühle niederzwingst – dann – dann verehre ich dich, ja Wolfgang, dann verehre ich dich in deiner unerschütterlichen Größe!
Wolfgang (zu ihr eilend und sie küssend): Jetzt ist es aber höchste Zeit, daß man dir den Mund verschließt; du lobst mich sonst wieder so sehr, daß ich den ganzen Morgen nicht arbeiten kann vor Hochmut.
Roloffs (Trinker, sehr dürftig gekleidet, vor Frost zitternd. Berliner Dialekt): Moign. Zeitung! (will wieder gehen.)
Wolfgang: Kalt heute, was?
Roloffs: Furchtbar kalt! Die Zähne klappern eenen in Munde. Der Reohmir beim Jastwirt Möller zeigt 17 Jrad – im Schatten, heeßt det; in der Sonne meegen’t wol noch mehr sind – ’t kennte wirklich mal wärmer wer’n; aber der liebe Jott muß et wohl besser wissen.
Wolfgang: Sie sind ja aber auch viel zu dünn angezogen –
Roloffs (verlegen an sich herunterblickend): Ja – ja. –
Wolfgang: Haben Sie denn keinen Überzieher?
Roloffs: Ach du lieber Jott, Iberzieher? Wie soll ick zu’n Iberzieher kommen!
Wolfgang (nach kurzem Besinnen): Sprechen Sie doch heut’ Nachmittag mal wieder vor. Ich habe noch einen ziemlich guten Winterrock, der Sie wenigstens einigermaßen vor der Kälte schützt. Den können Sie sich abholen.
Otto Ernst: Die größte Sünde. Conrad Kloss, Hamburg 1895, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ernst_Die_groesste_Suende.djvu/41&oldid=- (Version vom 14.6.2022)