Roloffs: Ach, Her Behring – Sie sind immer zu jitig – (will ihm die Hand küssen.)
Wolfgang (zieht energisch seine Hand zurück): Nichts da! Männer küssen einander doch nicht die Hände!
Roloffs: Ach, Herr Behring, ick bin immer demitig. Un ick denke mir immer, wenn der Mensch bloß demitig is, denn kriegt der Teufel keene Jewalt über’n; denn del is et jrade, wat der Teufel am wenigsten verdragen kann.
Wolfgang: Na – der „Teufel“ hat Sie wohl gestern wieder stark in den Fingern gehabt, wie?
Roloffs (trostlos den Kopf schüttelnd): Ach Jott ja, Herr Behring, ja ja – wir sind allzumal Sinder. Un warum dhu ick det nu immer wieder! Ick kann nu eenmal keene Spirituosen nich vertragen. Keene zwee Jlas Bier nich! Un nachher – denn berei’ ick et immer so bitter, so bitter, – ja, Frau Behring. Sie jlooben et ja nich; ick bin so zu sagen fermlich zerknirscht. Un daderum denk ick ooch immer dat mir der liebe Jott nich janz verläßt; wenn der Mensch bloß immer demitig bleibt, is nich wahr, Frau Behring? Der Hochmut is die jreeßte Sinde.
Wolfgang (freundlich-derb): Ach was, Demut hin, Demut her! Wie lange sind Sie nun schon demütig, Roloffs? Sei’n Sie lieber mal trotzig!
Roloffs (erschrocken): Wie?
Wolfgang: Ja, treten Sie mal dem „Teufel,“ wie Sie’s nennen, recht trotzig und hochmütig gegenüber! Sagen Sie ihm: Ich will nicht mehr trinken;
Otto Ernst: Die größte Sünde. Conrad Kloss, Hamburg 1895, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ernst_Die_groesste_Suende.djvu/42&oldid=- (Version vom 31.7.2018)