Coupé, leicht und solid gebaut, vor Neuheit funkelnd. Der Kutscher sitzt steif auf dem Bocke, hält mit der rechten Hand den Stiel der Peitsche auf den Schenkel gestützt und in der linken die Zügel. Man sieht’s ihm an, daß er lieber sterben als die Augen von seinen Pferden wenden würde. Ei, sie sind dieser Aufmerksamkeit wohl werth, die zierlichen Rappen mit ihren feinen Köpfen, ihren schlanken Hälsen, mit den geschmeidigen, stählernen Fesseln. Ihr seidenes Haar ist schwarz wie die Nacht, und wie Mondlicht schimmert sein Glanz. Sie stampfen mit spielender Grazie den Boden und blasen übermüthig die Nüstern auf, als fühlten sie, daß ein Kennerauge auf ihnen ruhte … Thekla hatte ihre Mutter oft ungeduldig gemacht durch die Behauptung: um zu wissen, was an einem Menschen sei, brauche sie nur – seine Equipage zu sehen. An das erschrockene: „Ich bitte Dich!“ das Marianne bei dieser Gelegenheit auszustoßen pflegte, dachte Thekla jetzt und hielt in Gedanken eine kleine Rede an ihre Mutter: „Sieh dorthin und wage es, mir Unrecht zu geben. Sieh diesen Wagen, dieses Gespann, diese Riemen, diese Schnallen! Ist das nicht alles korrekt und tadellos, pünktlich, charaktervoll? Auch Klemens hat englische Coupés und Pferde aus edelstem Blut, aber wie ist das alles zusammengestellt? Ohne rechten Geschmack, ohne die Strenge, die unerbittlich auf Sorgfalt bis ins Kleinste dringt. Der Weichling verräth sich überall!“
Sie wandte sich vom Fenster weg und begann im
Marie von Ebner-Eschenbach: Nach dem Tode. In: Erzählungen. Berlin: Gebrüder Paetel, 1893, Seite 324. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erz%C3%A4hlungen_von_Marie_von_Ebner-Eschenbach.djvu/330&oldid=- (Version vom 31.7.2018)