Zimmer auf und ab zu schreiten. Ihre Phantasie zauberte ihr einen noch viel schöneren Anblick vor als den, welchen sie eben genossen: die Equipage der Gräfin Sonnberg, und bald auch das Palais, durch dessen Einfahrt diese Equipage rollte, während die Glocke dreimal anschlug und der dicke Portier sich ehrerbietig verneigte, in seinem rothen Pelze mit goldgesticktem Bandelier … Roth und gelb sind die Sonnbergischen Farben, das Wappen ist eine goldene Sonne, aufsteigend am purpurnen Horizont. Dieses Sinnbild prangt über dem Thore des majestätischen Bauwerks, eines Juwels alterthümlicher Architektur, des Palais, dessen Gebieterin sie werden sollte, Gebieterin des Gebieters und aller, die dem Gebieter dienten …
Thekla war an Reichthum und Behagen gewöhnt, aber im Wittwenhause ihrer Mutter hatte sich allmälig ein Domestiken-Regiment und mit ihm so mancher Mißbrauch eingeschlichen. Es fehlte der kräftige Mann, der die Herrschaft in starken Händen hält. Graf Sonnberg wird das verstehen, er wird für die Ordnung und nach Außen für den Glanz seines Hauses sorgen. Den Mittelpunkt dieses Glanzes gedenkt Thekla zu bilden und von ihm umgeben sich der Welt zu zeigen, in der Stadt zur Winterszeit, im Sommer auf ihren Schlössern … Dort will sie leben wie der Adel im vorigen Jahrhundert auf seinen Schlössern zu leben pflegte, einen zahlreichen Freundeskreis gastfrei um sich versammeln, täglich neue Feste ersinnen, den Hasen jagen auf der Haide, den
Marie von Ebner-Eschenbach: Nach dem Tode. In: Erzählungen. Berlin: Gebrüder Paetel, 1893, Seite 325. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erz%C3%A4hlungen_von_Marie_von_Ebner-Eschenbach.djvu/331&oldid=- (Version vom 31.7.2018)