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hatte. Eine Zeitlang begnügte er sich mit diesem für ihn so schmeichelhaften Begegnen, nach und nach aber begann er hinter all’ dieser Rücksicht und Fügsamkeit große Kälte zu ahnen. Gräßlich durchblitzte ihn, glückvernichtend ein Zweifel an Theklas Liebe. Sein ganzes Wesen empörte sich dagegen, und wie einen Gedanken an erlittene Schmach wies Paul ihn von sich.

Aber einige Bitterkeit blieb doch zurück, ein unwiderstehlicher Wunsch, die Geliebte zu reizen, zur Ungeduld zu bringen, den heiteren Gleichmuth zu stören, der ihn anfangs entzückt hatte, und der ihm jetzt ein Frevel schien an seinen eignen Gefühlen, an der Sehnsucht, die er um sie litt, an der schwer erkämpften Geduld, zu welcher er sich zwang, er, so gewöhnt an freudiges Entgegenkommen, der Mann des raschen Erfolges, der nie gelernt hatte zu warten und zu werben, dem man niemals Nein gesagt, er, Paul Sonnberg!

Als Thekla das nächste Mal einer von ihm aufgestellten, sehr unhaltbaren Behauptung nicht widersprach, rief er herausfordernd und herb: „Das ist meine Meinung, sagen Sie jetzt die Ihre!“ Sie erhob die großen Augen zu ihm voll bestürzter Verwunderung, senkte dann hocherröthend den Blick und schwieg. Jede Frage, die er noch an sie stellte, beantwortete sie kleinlaut mit Ja oder Nein, wohl auch – mit Ja und Nein. Paul blieb während der Dauer seines Besuches unruhig, bitter, und ging endlich, von tausend widerstrebenden Empfindungen erfüllt und gequält.

Empfohlene Zitierweise:
Marie von Ebner-Eschenbach: Nach dem Tode. In: Erzählungen. Berlin: Gebrüder Paetel, 1893, Seite 329. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erz%C3%A4hlungen_von_Marie_von_Ebner-Eschenbach.djvu/335&oldid=- (Version vom 31.7.2018)