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hinter einem mühsam angenommenen ungebundenen Wesen zu verbergen.

Paul wiederholte seine unbeantwortet gebliebene Frage, und Kamnitzky sprach, an der Cigarre beißend, die längst nicht mehr brannte: „Wie’s Deinen Eltern geht, meinst Du? … Nun, nun, wie es eben kann … Briefe von Dir – mehrere nämlich – müssen verloren gegangen sein.“

Er sagte das mit solcher Bitterkeit, daß Paul dadurch ungeduldig gemacht, trocken antwortete: „Ich habe lange nicht geschrieben.“

Kamnitzky stieß einen Laut des Unwillens aus, seine dichten Augenbrauen zogen sich zusammen: „So,“ sagte er – „freilich, freilich – die vielen Geschäfte, die vielen Reden über Menschenrechte, Freiheit, Bildung, Intelligenz! Wie fände man da Zeit, ein paar alte Leute zu beschwichtigen, die so thöricht sind, in Sorge um Einen zu vergehen … ad vocem Intelligenz! – die macht Fortschritte! Wir haben jetzt drei Schullehrer in der Gegend zum Ersatz für den Einen, der im vorigen Jahre dort verhungerte. Nun denn! – also lange nicht geschrieben!“ Er senkte den Kopf und murmelte unverständliche Worte in den Bart.

„Meine Eltern vergehen vor Sorge?“ fragte Paul, „davon merkt man ihren Briefen nichts an. Mir schreiben sie, es ginge ihnen gut und auch dem Kinde …“

„Dem Kinde? … das war krank. – Man hat Dir’s verborgen. Aus Schonung … Wie überflüssig

Empfohlene Zitierweise:
Marie von Ebner-Eschenbach: Nach dem Tode. In: Erzählungen. Berlin: Gebrüder Paetel, 1893, Seite 341. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erz%C3%A4hlungen_von_Marie_von_Ebner-Eschenbach.djvu/347&oldid=- (Version vom 31.7.2018)