sprach von allerlei, und doch – es war unschwer zu errathen – von dem nicht, was ihm am Herzen lag, was ihm auf den Lippen brannte, die sich, nach jedem wie mit Gewalt ausgestoßenen Satze, fest zusammenpreßten, um sich bald wieder zu öffnen und – etwas Gleichgültiges zu sagen. Dabei erröthete er alle Augenblicke wie ein ängstliches Mädchen und empfand darüber den innigsten Verdruß.
Ach, daß er immer noch erröthen konnte, das war für den alten Mann eine fortwährende Kränkung! Dieses unwillkürliche Zeichen kindischer Erregbarkeit stand mit seinen Jahren, mit seinem männlichen Wesen in einem lächerlichen Widerspruch. Und Widerspruch, Disharmonie, war alles an dem seltsamen Menschen! Die Fülle der gelockten Haare, die der alte Herr lang trug, ließ den Kopf zu groß erscheinen für die schmalschulterige Gestalt, deren Dürftigkeit durch die enganliegenden Kleider noch hervorgehoben wurde. Der frische und glatte Teint, der siegreich durch ein langes Leben allen Einflüssen der Hitze und der Kälte getrotzt, stand in auffallendem Gegensatz zu den schneeweißen Haaren des jugendlichen Greises. Die kräftige Adlernase, der martialische Schnurr- und Knebelbart, die braunen Augen, die unter ihren etwas geschwollenen Lidern feurig hervorblitzten, dies alles paßte nicht zu dem weichen Munde, mit seinem schmerzlich resignirten Ausdruck. Hände und Füße des Mannes waren klein und schmal, seine Bewegungen unruhig, hart, und deutlich sah man ihm das Bemühen an, seine Befangenheit
Marie von Ebner-Eschenbach: Nach dem Tode. In: Erzählungen. Berlin: Gebrüder Paetel, 1893, Seite 340. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erz%C3%A4hlungen_von_Marie_von_Ebner-Eschenbach.djvu/346&oldid=- (Version vom 31.7.2018)