aufzusuchen. Sie werden dafür geliebt und gesegnet werden, Thekla, und wie wird mich das beglücken!“
Während er sprach, hatte ihre Hand wie todt in der seinen gelegen. Als er nun schwieg, entzog sie ihm dieselbe, spielte mit ihrem Taschentuche, legte es ganz klein zusammen, glättete es auf ihrem Knie, und dieweil er dachte: „O, nur jetzt den Anklang einer weichen Empfindung, nur einen einzigen, leisen Herzenslaut!“ – sagte sie: „Ihre Eltern haben sich so lange ohne Sie beholfen, sie werden es noch länger thun … Schreiben Sie ihnen, entschuldigen Sie sich – versprechen Sie ihnen zu kommen.“
Paul athmete tief auf: „Sie haben mich mißverstanden. Ich brauche mich nicht zu entschuldigen, brauche nichts zu versprechen; meine Eltern denken nicht daran, meine Rückkehr zu fordern. Ich selbst wünsche sie wiederzusehen – ich selbst sehne mich …“ Er brach ab und fragte plötzlich: „Begreifen Sie das nicht?“
„Nein! ich begreife nichts, als daß Sie jetzt nicht abreisen dürfen … Abreisen – welch ein Einfall! was treibt Sie denn fort?“
„Ich meinte es Ihnen auseinander gesetzt zu haben … Mein Gott, wozu rede ich!“
„Und – ich?“ fragte sie mit einem langen vorwurfsvollen Blick …
Thekla legte die Verwirrung, die sich in Sonnbergs Zügen malte, zu ihren Gunsten aus. Giebt er schon nach oder ist es ihm gar nicht Ernst gewesen mit seinem
Marie von Ebner-Eschenbach: Nach dem Tode. In: Erzählungen. Berlin: Gebrüder Paetel, 1893, Seite 360. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erz%C3%A4hlungen_von_Marie_von_Ebner-Eschenbach.djvu/366&oldid=- (Version vom 31.7.2018)