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Am Ausgange des Wäldchens, auf einem Wiesenplan erhob sich, von Jasmin und Fliederbüschen im Halbkreise umgeben, ein schlanker, großblätteriger Ahorn. Er breitete die zierlichen Aeste über eine zersprungene und halb in den Boden eingesunkene Bank zu seinen Füßen. Paul hielt plötzlich an; die Bank, den Baum kannte er gar gut. Das war die Stelle, an welcher er vor vier Jahren um sein junges Weib geworben. Hier hatte er sie gefunden, als er – einmal schwach in seinem Leben! – den Bitten seiner Eltern nachgegeben, einen raschen Entschluß gefaßt und gekommen war, die holde Hausgenossin zu fragen: „Willst Du’s mit mir wagen, Marie?“

Sie hatte zu dem kühlen Bewerber einen Blick voll Thränen, Angst und Bitten erhoben und geantwortet: „Nein! nein!“

Das klang anders als der Ausbruch des Jubels, der von ihm erwartet worden war, zornige Enttäuschung trieb ihm das Blut ins Gesicht, und heftig rief er: „Warum? sage – warum?“

Das Haupt gebeugt, die schmalen Hände im Schoße gefaltet, lehnte sie sich an den Stamm des Baumes. Sie vermied seinen Blick, ihre Lippen zitterten, doch sprach sie in festem Tone: „Weil du mich nicht liebst, und – weil ich Dich liebe. Es wäre ein Unglück.“

Was half ihr Sträuben? Er wollte es. Jetzt, nachdem er den ungeahntesten Widerstand gefunden, jetzt wollte er’s!

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Marie von Ebner-Eschenbach: Nach dem Tode. In: Erzählungen. Berlin: Gebrüder Paetel, 1893, Seite 370. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erz%C3%A4hlungen_von_Marie_von_Ebner-Eschenbach.djvu/376&oldid=- (Version vom 31.7.2018)