Seine Hände zitterten, etwas greisenhaft Aengstliches sprach sich in seinem Wesen aus; er hielt inne inmitten eines Satzes, der Faden des Gesprächs entglitt ihm – wie alt war er geworden!
Als man sich endlich, um eine Stunde später als gewöhnlich, im großen Speisesaale zu Tische setzte, mußte noch eine Zeitlang auf das Abendessen gewartet werden. Der gebrechliche Büchsenspanner, der magere Kammerdiener und der asthmatische Bediente schlichen mit den gekränkten Mienen umher, die alte Domestiken annehmen, wenn man sie in ihrer gewohnten Ordnung stört. Der Graf war seit seinem Eintritt in den Saal noch stiller geworden, hielt die Augen gesenkt und erhob sie nur flüchtig, um seiner Frau einen raschen, fragenden Blick zuzuwerfen, den sie mit verständnisvollem Nicken beantwortete. Bei einer besonders auffallenden Ungeschicklichkeit des Hofstaats sagte die Gräfin entschuldigend zu Paul: –
„Hab’ Nachsicht, die Leute sind nicht gewöhnt – – für den Vater und mich ist Platz genug im kleinen Lesezimmer; wir haben hier nicht mehr gespeist seit dem – seit dem Tode …“
Die Stimme versagte ihr.
„Ja, ja,“ murmelte der Greis, und die Thränen, die an seinen Wimpern gezittert hatten, fielen auf seinen Teller herab. Er machte eine unwillige Bewegung mit dem Kopfe, und ein freudeloses, beschämtes Lächeln glitt wie ein verirrter Funke über seine Züge.
Marie von Ebner-Eschenbach: Nach dem Tode. In: Erzählungen. Berlin: Gebrüder Paetel, 1893, Seite 373. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erz%C3%A4hlungen_von_Marie_von_Ebner-Eschenbach.djvu/379&oldid=- (Version vom 31.7.2018)